Zum Stand der Rekultivierung des toten Bergbaus in den ost- und westsächsischen Braunkohlerevieren

aus dem Protokoll einer Anhörung im Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit des Sächsischen Landtags
Dresden, 5. November 1991

Welche Rolle spielt die Rekultivierung im Energiekonzept der Staatsregierung?

Herr Müller-Michaelis, Strukturbeauftragter für Energiefragen im Wirtschaftsministerium, begrüßt, dass er mit dieser Frage eingehen kann auf den Stand der Bemühungen um Rekultivierungs- und Sanierungsaktivitäten im Bereich des toten Bergbaus. Am 18. September - vor 5 Wochen - habe man bei einem Ministergespräch Brandenburg - Sachsen eine Koordinierungsgruppe eingerichtet, in die alle bisherigen Überlegungen und auch angedachten Programmpunkte eingeführt worden seien, um in dieser Frage jetzt schneller voranzukommen. Denn zu lange sei bisher ausgetauscht worden, was man eigentlich nicht will, und es sei bisher zu wenig auf einen Punkt gebracht worden, was man unter den gegebenen Umständen machen kann.

Zwei schwierige Punkte stünden im Vordergrund der Klärung. Das eine: die drei betroffenen Bundesländer Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt hätten sehr unterschiedliche Auffassungen darüber, wie man in einem Gemeinschaftskonzept mit der Rekultivierung der Altschadensflächen vorgehen wolle.

Der zweite Punkt der Schwierigkeiten sei, dass der Bund sehr zögerlich sei in seiner Bereitschaft, dieses Erbe des alten Regimes auf sich zu nehmen angesichts des hier allen bekannten Umstandes, dass die betroffenen Länder über keine Mittel verfügen aufgrund ihrer Haushaltssituation, diese riesigen Summen aufzubringen.

Herr Dr. Thiele habe in seinem Eingangsstatement schon gesagt, dass hier eine Größenordnung anstehe in zweistelliger Milliardenhöhe. Das seien Größenordnungen, die gegenwärtig die drei Länder überfordern würden. Es müsse also in irgendeiner Form eine Bundeshilfe eintreten.

Wie ist nun der gegenwärtige Stand? Der erste Punkt ist, dass als Voraussetzung für die Privatisierung der Braunkohlenindustrie selbstverständlich diese Frage geklärt werden müsse. Es würde überhaupt keine Privatisierung des Braunkohlebergbaus in den drei Ländern - auch nicht in Sachsen - geben, wenn nicht vorher geklärt sei, dass die Altschäden nicht von dem neuen Betreiber übernommen werden.

Das Staatsministerium sei der Auffassung, dass z.B. nach dem Modell der Industrie Verwaltungsgesellschaft IVG eine Bundesgesellschaft zur Übernahme der Altschäden gebildet werden sollte. So etwas Ähnliches schwebt uns vor als Modell für die Übernahme der Altschadensbereiche, und dass man diese Gesellschaft abkoppelt von dem gesunden, weiterzubetreibenden Bergbau. Hier seien sich die drei Länder einig, natürlich auf Kosten des Bundes, der hier zustimmen müsse.

Die Bereitschaft des Bundes, bei einem solchen Modell mitzumachen, sei auch für den zweiten Punkt sehr wichtig. Die drei Länder wären bisher unterschiedlicher Auffassung, wie sie vorgehen wollen. Die kompakte Geschlossenheit der drei Länder in dieser Frage, für die gesamte Arbeit eine gemeinsame Organisation aufzubauen, um dann die Sanierung durchzuführen, die vom Bund bezahlt werde, sei ein wichtiger politischer Punkt. Im Augenblick hätten sich die drei Länder Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt bzw. die damit beauftragten Damen und Herren aus den Bereichen Wirtschaft und Umwelt zusammengerauft, um diese kompakte Gemeinsamkeit herzustellen und eine gemeinsame Organisation länderübergreifend zu bilden. Die Formel heißt "4 plus 1", das heiße aufbauend auf den in den drei Ländern gegebenen Organisationsformen - das sei in Brandenburg die Landesentwicklungsgesellschaft, in Sachsen das Aufbauwerk Sachsen mit den beiden Regionalverbänden an den jeweiligen Grenzregionen Lausitz und Westsachsen und in Sachsen-Anhalt ein zu gründender Zweckverband, plus eine Dachorganisation, die die Aufgabe habe, die Mittel einzuwerben vom Bund, möglicherweise von der EG und anderen überregionalen Stellen, die dann auch für die Finanzkontrolle und die Abwicklung der Mittel an die vier Verbände zuständig wäre.

Zum Finanzkonzept wüssten alle, dass der Bund angesichts der enormen Belastungen durch die Vereinigung an der oberen Grenze in bezug auf die Schuldenhöhe arbeite und dass weitere riesige Belastungen dieser Art mit höchster Zurückhaltung betrachtet werden. Dafür habe man Verständnis. Auf der anderen Seite dürfe die Aufgabe nicht länger liegenbleiben, sie habe schon viel zu lange geruht. Die Dringlichkeit sei groß. Das würde im Prinzip auch vom Bund gesehen.

Vertreten wird die Meinung, dass die natürliche Quelle für die Bereinigung dieser Altlasten der Verkaufserlös aus dem weiterlebenden Bergbau sein müsse, dass der Bund ein Sondervermögen aus den Einkünften aus dem Verkauf der Bergbauunternehmen bilden und dass aus diesem Sondervermögen jeweils in jährlichen Zuweisungen Mittel an diesen Gemeinschaftsverband der drei Länder fließen müssen. Und die Flächen, die zu sanieren sind, müssten sich jeweils im Rahmen der zugesagten und zugewiesenen Mittel bewegen.

Außer diesem Sondervermögen als Basis der Sanierung gäbe es weitere Möglichkeiten, diesen Haushalt für die Sanierung und Rekultivierung zu speisen, z.B. gegenwärtig durch die ABM-Maßnahmen, sowie Möglichkeiten über das Bundesumweltministerium für die unmittelbare Gefahrenabwehr bei besonders gefährlichen Deponien. Außerdem sei hier auch die EG zur Beteiligung an dieser Aufgabe in einem bestimmten Umfang anzusprechen.

aus dem Protokoll einer Anhörung vor dem Sächsischen Landtag -
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Dresden, 5. November 1991