Fundraising mit Helmut Schmidt
aus: Deutsche Rundschau, Toronto Kanada, Oktober / November 2001

Wolfgang Müller-Michaelis

Die Deutsche Nationalstiftung ist eine von rund zehntausend Stiftungen, die heute in Deutschland tätig sind. Sie wurde 1993 von Altbundeskanzler Helmut Schmidt und Freunden gegründet, unter anderen von Gerd Bucerius, Kurt Körber, Michael Otto und Hermann J. Abs. Schirmherr der Stiftung ist der Bundespräsident.

Dem Vorstand gehören unter dem Vorsitz von Helmut Schmidt Klaus Asche, Kurt Biedenkopf, Reimar Lüst und Kurt Masur an. Die Geschäftsführung liegt in den Händen von Albrecht Graf von Kalnein. Präsident des Stiftungssenats ist Richard Schröder, Mitglied und Stellvertretender Vorsitzender der ersten freigewählten Volkskammer der ehemaligen DDR. Das Stiftungskuratorium leitet Ulrich Cartellieri, Mitglied des Aufsichtsrats der Deutschen Bank.

Die Stiftung verleiht jährlich den mit DM 150.000,- dotierten Nationalpreis an Persönlichkeiten, die sich um die Bewahrung der deutschen ldentität und um die europaische Einigung verdient gemacht haben. Mit der Veranstaltung internationaler Begegnungen setzt sie sich die Pflege der politischen Kultur im Zusammenwirken der Deutschen mit ihren Nachbarn in Europa zum Ziel.

Nationalpreisträger des Jahres 2001 sind der ehemalige polnische Ministerpräsident Tadeusz Mazowiecki und der französische Historiker und Publizist Joseph Rovan. Im Jahr 2000 wurden die Erstunterzeichner des Gründungsaufrufs des Neuen Forums ausgezeichnet, die zu den mutigen Initiatoren der politischen Wende und des Falls der Berliner Mauer im Herbst 1989 gehörten.

Bedenkt man, dass während der Kaiserzeit um die vorletzte Jahrhundertwende etwa zehnmal so viele Stiftungen wie heute in Deutschland registriert waren, belegt dies den Aderlass an kulturellem und wirtschaftlichem Reichtum, den die beiden Weltkriege in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts mit sich brachten. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf den Verlust der traditionell stiftungsträchtigen jüdischen Vermögen sowie für die Gebietsabtretungen nach den beiden Kriegen, die notwendigerweise Auswirkungen auf die Verfügbarkeit privater Finanzquellen für gemeinnützige Einrichtungen im heutigen Deutschland haben.

Das Johns-Hopkins-Institute, Baltimore, hat vor Jahren in einem Sieben-Länder-Vergleich ermittelt, wie sehr sich die Finanzierung von Stiftungen und gemeinnützigen Einrichtungen in Deutschland von den Verhältnissen in den westlichen Nachbarländern und in den USA unterscheidet. Während im westlichen Ausland der größte Teil des Mittelaufkommens in der Größenordnung von 47 % aus eigenen Vermögenserträgen und eigenwirtschaftlichen Erlösen stammt, liegt dieser Anteil in Deutschland aus den genannten Gründen bei nur 27 %. Da in den USA viele der gemeinnützigen Zwecken gewidmeten privaten Stiftungen gerade auch im Bildungssektor angesiedelt sind, wo es etliche Eliteuniversitäten hinsichtlich ihrer Kapitalausstattung mit den Blue Chips der Wirtschaft aufnehmen können (so verfügt die Harvard University über ein Stiftungsvermögen von 18 Milliarden Dollar), hat die Verschiedenartigkeit der Bildungslandschaften diesseits und jenseits des Atlantik vor allem auch mit diesen unterschiedlichen Finanzierungsstrukturen zu tun.

Mit der Gründung der Bucerius Law School in Hamburg, deren private Finanzierung der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius zu verdanken ist, ist ein weithin beachtetes Signal gesetzt worden, an alte Stiftungstraditionen anzuknüpfen, die einst auch für den kulturellen Sektor in Deutschland prägend waren. Denn bisher kommt die Masse der im gemeinnützigen Sektor eingesetzten Finanzmittel hierzulande mit beherrschenden 68 % noch immer aus dem staatlichen Steueraufkommen. Im westlichen Ausland liegt der Staatsanteil dem gegenüber sehr viel niedriger bei 43 %. Auch beim privaten Spendenaufkommen sind die Unterschiede gravierend. Während in Deutschland Spenden bisher mit nur 5 % zur Finanzierung der Stiftungsarbeit beitragen, liegt der Spendenanteil im westlichen Ausland mit 10 % doppelt so hoch.

Deutliche Unterschiede gibt es auch in der Art der Spendeneinwerbung. Sind in Deutschland über die Medien verbreitete Spendenaufrufe und Mailing-Aktionen sowie regelmäßige Spendenleistungen über Fördervereine die üblichsten Formen, sind die Vereinigten Staaten das klassische Land für Fundraising Dinner. Auch eine breite Palette von Charity Events, die mit Medien- oder Sportspektakeln verbunden werden, gehören zu den im westlichen Ausland gängigen Methoden der Mittelbeschaffung, an die man sich in Deutschland erst noch gewöhnen muss. Daher hat auch das große Gala Fundraising Dinner, das die Deutsche Nationalstiftung im September 2001 erstmalig in Hamburg veranstaltet, einen gewissen Modellcharakter. Mit Unterstützung des Sponsors Deutsche Bank ist es gelungen, einen besonders festlichen Rahmen für eine Veranstaltung mit 350 Teilnehmern zu schaffen, die der Nationalstiftung eine Spendeneinnahme von DM 150.000,- bescheren soll. Musikalisch umrahmt von der Hochschule für Musik und Theater Hamburg unter der Leitung ihres Präsidenten Hermann Rauhe ist die besondere Attraktion des Galadinners die Rede von Altbundeskanzler Helmut Schmidt zum Thema "Europa im 21. Jahrhundert - Chancen und Herausfordeungen". Die Leser der Deutschen Rundschau werden in einem Beitrag über die Ausführungen von Helmut Schmidt und über den Verlauf dieser für die Deutsche Nationalstiftung wichtigen Veranstaltung informiert werden. Die Veranstalter gehen davon aus, daß dieses herausragende gesellschaftliche Ereignis über den unmittelbaren Zweck der Finanzbeschaffung hinaus auch geeignet ist, die Aufmerksamkeit einer breiteren Öffentlichkeit auf die Ziele und Aufgaben zu lenken, denen sich die Deutsche Nationalstiftung verschrieben hat. Zugleich kann hiermit ein Beispiel auch für andere Stiftungen in Deutschland gegeben werden, sich moderner Formen der Mittelbeschaffung für die Bewältigung ihrer Aufgaben zu bedienen.

erschienen in: Deutsche Rundschau, Oktober/November 2001