Fundraising – mit neuen Ideen dem Wohl der Stiftung dienen
aus: Jahrbuch der Deutschen Nationalstiftung 2005
Wolfgang Müller-Michaelis
Im Frühjahr 2005 sind es vier Jahre her, seit der Stiftungsvorstand den Entschluss fasste, einen Fundraisingstab einzurichten. Es ist ein genügend langer Zeitraum, um ein Resümee zu ziehen, ob die erzielten Ergebnisse den Erwartungen entsprochen haben.
Dazu ist zunächst festzuhalten, dass Fundraising als eine komplementäre Finanzierungsart des gemeinnützigen Sektors hierzulande nach wie vor auf verbreitete Vorbehalte trifft. Das ist vornehmlich auf die deutsche Sozialstaatsbindung zurückzuführen, nach der die Erfüllung gesellschaftlicher Aufgaben insbesondere in den Bereichen Kultur, Bildung und soziale Dienste vorzugsweise in der Zuständigkeit des Staates gesehen wird. In unserer europäischen Nachbarschaft, vor allem aber in den angelsächsischen Ländern, gilt das Fundraising demgegenüber als gängige Methode der Mittelbeschaffung für wohltätige Zwecke, zumal es hier zugleich praktischer Ausdruck des zivilgesellschaftlichen Engagements der Bürger ist.
Angesichts immer enger werdender öffentlicher Kassen findet aber auch in Deutschland ein allmählicher Bewusstseinswandel statt, der dem Dritten Sektor mit seinen Stiftungen und gemeinnützigen Einrichtungen einen größeren Stellenwert bei der Erledigung dieser Aufgaben einräumt. Immerhin bringen es die in Deutschland tätigen 14.000 Stiftungen privaten Rechts mit ihren Kapital- und zusätzlichen Spendenerträgen jährlich auf rund 15 Milliarden Euro, mit denen gemeinnützige Zwecke gefördert werden. Würde man die Aufgaben, die mit diesem Fördervolumen bewältigt werden, gedanklich „ausknipsen“, wären weite Teile des kulturellen Lebens, der Bildungsförderung und der humanitären Dienste im Lande lahmgelegt.
Nicht alle Stiftungen sind so kapitalkräftig, dass sie wie etwa die Bosch-, Bertelsmann- oder ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius ihre jährlichen Förderleistungen aus den Erträgen ihrer Kapitaleinlagen aufzubringen vermögen. Die Deutsche Nationalstiftung gehört zur überwiegenden Zahl kleinerer Stiftungen, die ihre Programme nur mit ergänzender Einwerbung von Spenden durchzuführen in der Lage sind. Ihr langfristiges Bestreben ist es, durch Zustiftungen jene Kapitalausstattung zu erlangen, die es auch ihr ermöglicht, ihre Aufgaben vollständig mit eigenwirtschaftlichen Mitteln zu bewältigen. Bis dieses Ziel erreicht ist, wird versucht, die Erträge aus dem Stiftungskapital mit Hilfe des Fundraising aufzustocken.
Aufbauend auf den Erfahrungen in der Startphase 2001/2002 zeichnet sich das Fundraising im Berichtszeitraum 2003/2004 und übergehend auf das Jahr 2005 durch ein vielgestaltiges Programm aus, zu dem unterschiedliche Aktivitäten beigetragen haben. Dabei liegen die aus dem klassischen Fundraising bekannten E-M-O-Aktionsfelder Events, Mailings und Opportunities dem Mittelbeschaffungsprogramm der Nationalstiftung genauso zugrunde wie der ergänzende Aufbau eines Fördervereins, um auch aus den Beiträgen fördernder Mitglieder eine zusätzlich fließende Finanzierungsquelle zu entwickeln.
Als ertragreich haben sich auch im Berichtszeitraum Fundraising-Veranstaltungen erwiesen, bei denen die Erörterung von Fragestellungen aus dem Themenspektrum der Stiftungsarbeit im Mittelpunkt steht und durch eine gesellschaftliche Note in Form eines Essens abgerundet wird. Gegenüber manchen anderen Stiftungen kann die Nationalstiftung dabei einen „Heimvorteil“ ausspielen und mit exzellenten wie prominenten Rednern für den Vortragsteil aufwarten. Insbesondere die aktive Mitwirkung von Helmut Schmidt bei den Fundraising-Dinnern hat sich für das finanzielle Ergebnis auch im Berichtszeitraum als Erfolgsgarantie erwiesen. Unabhängig von den Formaten der Veranstaltungen, ob in kleinerem oder größerem Rahmen, die Teilnahme des Stiftungsgründers hat der Stiftungskasse in jedem Fall gut getan.
Nach der von der Deutschen Bank gesponserten großformatigen Startveranstaltung im Frühjahr 2002 konnten auch in den Jahren 2003 und 2004 Fundraising-Events mit Helmut Schmidt als Vortragendem durchgeführt werden. In beiden Fällen waren mit Michael Otto, der zum Kreis der Stiftungsgründer gehört und dem Ehepaar Hannelore und Helmut Greve Hamburger Mäzene die Ausrichter der Veranstaltungen. Wenngleich sie in kleinerer Runde stattfanden, erbrachten sie dennoch ansehnliche Ergebnisse. Es mag wie ein Kommentar zur aktuellen Kapitalismus-Debatte erscheinen, wenn der Unternehmer Michael Otto vor Jahren auf sein umfassendes Engagement für gemeinnützige Aufgaben angesprochen, sagt: „Wenn man das Glück des Erfolges hatte, sollte man etwas zurückgeben. Das hat nichts mit Almosen zu tun, sondern mit Solidargemeinschaft. Sonst funktioniert das Gemeinwesen nicht.“
Die Nationalstiftung steht bei ihrer Drittmittelakquisition in Konkurrenz mit einer großen Zahl von Organisationen, deren Wohltätigkeitszwecke unmittelbarer auf soziale und kulturelle Grundbedürfnisse gerichtet sind. Daher ist ihr Fundraising-Erfolg in hohem Maße abhängig von öffentlichkeitswirksamer Vermittlung des besonderen Benefits, mit dem auch sie auf ihre Weise zum Gemeinwohl beiträgt. In diesem Sinne sind die Verleihung des Nationalpreises an Persönlichkeiten, die sich um die deutsche und europäische Vereinigung verdient gemacht haben, und die Herausgabe von Publikationen, die wie die jüngste Studie zur Berlin-Frage zentrale Themen von nationalem Interesse behandeln, über die Profilierung der Stiftungsidee hinaus für das Einwerben von Spenden von tragender Bedeutung. Dazu gehören auch die Jugendprojekte der Stiftung, über die an anderer Stelle berichtet wird.
Im Jahr 2003 wurde das Zusammentreffen des zehnjährigen Stiftungsjubiläums und des 85. Geburtstages von Helmut Schmidt zu einer Mailing-Aktion genutzt, die maßgeblich zum Gesamterfolg beitrug. Auch wenn der finanzielle Ertrag des aus gleichem Anlass veranstalteten Benefiz-Konzerts in der St. Michaelis-Kirche mit Kurt Masur auf dessen Wunsch der Jugendmusikförderung zugute kam, hat sich dieses Ereignis doch auch indirekt für das Fundraising der Nationalstiftung ausgewirkt. Der dem Senat der Nationalstiftung angehörende Stardirigent hatte das Verlagshaus Gruner + Jahr nicht nur als Ausrichter des festlichen Empfangs im Anschluss an das Jubiläums-Konzert sondern darüber hinaus als Förderer unserer Stiftungsarbeit gewonnen.
So stellte sich das Hamburger Verlagshaus als großzügiger Gastgeber des ersten Fundraising-Events des Jahres 2005 in den Dienst der Stiftung. Der Vortragsteil dieser Veranstaltung wurde von Bundesminister a.D. Wolfgang Schäuble, der dem Stiftungskuratorium angehört, bestritten. 150 Personen des Hamburger Wirtschaftslebens trugen mit ihren Spenden zu einem beachtlichen Ergebnis bei. Sie wurden durch eine Einführung des Stiftungsvorsitzenden Prof. Richard Schröder mit den Zielen und Projekten der Nationalstiftung vertraut gemacht, natürlich auch mit der Möglichkeit, über einen Beitritt zum Förderverein der Stiftung dauerhaft verbunden zu bleiben. Dabei ist die Stiftung gleichermaßen an privaten wie korporativen Mitgliedschaften interessiert. Gerade auch für Unternehmen, die sich neben den Stiftungszielen der Förderung von deutscher und europäischer Vereinigung auch dem Lebenswerk von Helmut Schmidt verbunden fühlen, bietet eine korporative Vereinsmitgliedschaft die Möglichkeit einer parteiübergreifenden Kontaktpflege mit politischen Entscheidungsträgern insbesondere anlässlich der Jahres- und Regionaltagungen der Nationalstiftung.
Die wie in den Vorjahren auch 2004 durchgeführte Mailing-Aktion, für die Michael Otto gewonnen werden konnte, erbrachte einen erfreulichen Beitrag zum Jahresergebnis, in der Größenordnung vergleichbar mit dem Ertrag des Fundraising-Dinners im Hause Gruner + Jahr im Frühjahr 2005. Um den Veranstaltungen der Stiftung in der Öffentlichkeit ein stärkeres Profil zu verleihen, soll – soweit der gastgebende Partner dies mitträgt – zukünftig das Motto „Dinner für Deutschland“ benutzt werden. Die sachliche Vermittlung von Konzepten zur Lösung der vielen Probleme im deutsch-deutschen wie im europäisch-deutschen Verhältnis mit einem gesellschaftlichen Ambiente zu verbinden, ist die Idee dieser nicht zuletzt auch dem Fundraising dienenden Veranstaltungsreihe.
Im ersten Halbjahr 2005 konnte eine ansehnliche Einnahme aus der Mitwirkung von Helmut Schmidt am Europa-Symposium der Professor Helmut Greve Stiftung für Wissenschaft in Hamburg verbucht werden, indem das Vortragshonorar auch in diesem Falle als Spende zur Verfügung gestellt wurde. Neben mindestens einer weiteren Veranstaltung soll auch die aktuelle Berichterstattung über die Projektarbeit für eine Mailing-Aktion des Stiftungsvorstandes im weiteren Verlauf des Jahres 2005 genutzt werden. Schließlich bleibt es unter dem Leitwort von Helmut Schmidt: Jeder ist aufgefordert, zum Wohle des Ganzen mitzuwirken, auch über das Jahr 2005 hinaus ein wichtiges Ziel der Stiftung, den bereits im Berichtszeitraum erfreulich erweiterten Kreis ihrer dauerhaften Förderer weiter auszubauen.
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Beitrag für: "Anstöße für Deutschland und Europa.
Das Jahrbuch der Deutschen Nationalstiftung 2003/04/05"
Februar 2006