Die Sicht der Mineralölindustrie

Diskussionsbeitrag im Rahmen der Hamburger Medientage '83
Ein Parlament für Informationsfreiheit
erschienen in: "Macht und Medien
Die Dokumentation der Hamburger Medientage '83"
vom 3. Oktober bis 5. Oktober 1983

Wolfgang Müller-Michaelis
Generalbevollmächtigter der Deutschen BP AG

"Zunächst einmal möchte ich Herrn Kaden mein Kompliment machen für den sehr strukturierten und meines Erachtens die gestern besprochenen Punkte sehr gut zusammenfassenden Bericht unserer Gruppe.

Mir scheint aber, daß im ersten Teil dieses Berichts die Gesamtdarstellung "einen Tick" zu polarisierend geworden ist, denn ich habe den Eindruck gehabt, daß bei der Gegenüberstellung der verschiedenen Standpunkte aus einer Reihe von Diskussionsbeiträgen doch auch ein gewisses Verständnis für die jeweilige Gegenseite zum Ausdruck kam; denn wir bewegen uns auf jeder Seite nicht in vollkommenen Welten mit vollkommenen Mitteln, sondern mit begrenzten Mitteln, und das ist eben auch ein Punkt für manche Unzuträglichkeiten, die sich im Verkehr zwischen beiden Seiten ergeben. Ich meine, daß Macht im Sinne Max Webers im gegenseitigen Verkehr zwischen Wirtschaft und Medien schwer nachweisbar ist.

Und ich meine auch, daß wir bei allen Fehlern, die unsere Wirtschaftsdemokratie haben mag, in einer funktionierenden Wirtschaftsdemokratie leben, eben als Folge eines pluralistischen Besatzes auf beiden Seiten, bei den Medien und auch der Wirtschaft. Und da paßt auch gut das Wort von Kaden, daß wir eben mit diesen beiden Seiten, die sehr zergliedert, sehr strukturiert sind - Wirtschaft auf der einen und Medien auf der anderen Seite - zwei "counterveiling powers" gegeneinander stehen haben, die beide für sich Kraft und Macht genug haben, um sich gegenseitig kontrollieren und in Grenzen halten zu können.

Aber - und dies ist im Grunde genommen der Inhalt unserer gestrigen Diskussion gewesen - es gibt eine erhebliche Anzahl von Mißbräuchen des Einflusses, den beide im gegenseitigen Verkehr aufeinander haben und nehmen. Und es ist, glaube ich, auch ein Ergebnis unserer Diskussion gewesen - wenn auch nicht so offen ausgesprochen -, daß gerade diese an Fallbeispielen dargestellten Mißbräuche des Einflusses hinüber und herüber dazu geeignet wären, öfter über diese Fragen zu sprechen, um hier zu Verbesserungen des Verhältnisses zueinander zu kommen.

Es ist von Herrn Kaden ein Punkt hier nicht dargestellt worden, der aus der Sicht der Wirtschaft über die Medien zum Ausdruck gekommen ist. Die Medien - eine Zeitung, eine Fernsehredaktion - sind sicherlich zunächst einmal dazu berufen, ein Wächteramt im Sinne der Vierten Gewalt - obgleich ich das Wort nicht mag, nenne ich es hier einmal - im Rahmen einer Kontrollfunktion auszuüben und Bericht zu erstatten. Daneben haben sie aber auch eine andere Zielfunktion: die Auflage und die Einschaltquote. Hieraus ergeben sich dann doch mancherlei Versuchungen, auch auf Seiten der Medien, dann Dinge zu tun, die nicht so ganz mit dem Ethos, das man sich im Grunde genommen auf die Fahne geschrieben hat, zu vereinbaren sind. Und ich meine, daß hieran auch immer gedacht werden sollte, daß wir in der Medienwelt und in der Wirtschaftswelt nicht die Engel und die Teufel einander gegenüberstehen haben, sondern daß es auf beiden Seiten Durchmischungen, Durchsetzungen gibt, daß wir auf beiden Seiten und nicht nur auf einer Seite die Buntheit des Lebens haben. Wenn man das weiß, ist es viel leichter miteinander auszukommen und miteinander umzugehen und zu konkreten Lösungen im Einzelfall zu kommen.

Ich möchte - da es noch nicht angeführt worden ist - ein Beispiel aus der gestrigen Diskussion bringen und sagen, daß ich den Eindruck habe, daß die Medien es sich ab und zu etwas zu leicht machen, wenn sie den Auftrag erfüllen, die Bevölkerung über wichtige Vorgänge des täglichen Lebens - aus dem Wirtschaftsleben - zu unterrichten. Ich habe gestern in der Diskussion absichtlich einen Unterschied gemacht zwischen Print- und elektronischen Medien, weil ich aus eigener Anschauung den Eindruck gewonnen habe, daß wir, was die Print-Medien angeht, in der Bundesrepublik in einem Land leben mit einer hervorragenden Lebensqualität. Wir können aus einer bunten Vielfalt gut auswählen. Dieses ist in bezug auf die Wirtschaftsberichterstattung bei den elektronischen Medien eben nicht der Fall. Da haben wir, sehr häufig auch in den Magazinen, eine erhebliche Einseitigkeit in der Darstellung.

Ich möchte hier einmal absichtlich das Reizwort des Benzinpreises in die Debatte bringen. Die meisten von Ihnen stehen unter dem Eindruck, daß der Benzinpreis aufgrund der Berichterstattung der letzten Monate ununterbrochen gestiegen sei, weil so häufig in den "Tagesschau"- und in den "heute"-Sendungen über diese Vorgänge berichtet worden ist. Es ist aber aus der Sicht des 5. Oktober 1983 über ein Nullum berichtet worden; denn der Benzinpreis ist heute nicht höher, als er am 1. Januar 1983 gewesen ist, weil eben aus der jeweiligen Augenblickssituation heraus die Redaktionen immer nur einen Punkt in der ständig in Bewegung befindlichen Entwicklung aufgenommen haben und die Meldung über den wieder folgenden Abstieg dann nicht bringen. Hierdurch wird über die Dauer der Zeit ein einseitiges Vorurteil geprägt, und das ist meines Erachtens mit Hilfe der elektronischen Medien im wirtschaftlichen Bereich eine sehr häufig anzutreffende Sache, die es in den Print-Medien wegen des dort stattfindenden Wettbewerbs und auch des höheren Qualifikationsgrades in diesem Ausmaße nicht gibt.

Hier Abhilfe zu schaffen, dazu hätte ich einen konkreten Vorschlag: Berichten doch die Herren in den elektronischen Medien auch einmal darüber, wenn der SPIEGEL seinen Preis um 50 Pfennig anhebt: denn dann würde man sehen, daß im Grunde genommen, was die Güter des täglichen Lebens angeht, über die Jahre hinweg kaum große Unterschiede festzustellen sind. Der Benzinpreis beträgt heute im Durchschnitt im Bundesgebiet 1,40 DM, vor zehn Jahren betrug er 70 Pfennig. Er ist innerhalb von zehn Jahren um den hohen, aber erklärbaren Satz von 100 Prozent angestiegen. Der SPIEGEL kostet heute 4,00 DM, er kostete vor zehn Jahren - im Jahre 1973 - 2,00 DM. Das ist die gleiche Erhöhung.

Wenn man auch diese Dinge einmal in die Berichterstattung einbeziehen würde, würde man das Spektrum etwas erweitern und den Zuschauer umfänglicher und vorurteilsfreier informieren. - Danke sehr"

erschienen in: "Macht und Medien
Die Dokumentation der Hamburger Medientage '83"
Verlag Hans Bredow-Institut, S. 122-124
Hamburg 1984