IMAGE-PROBLEME IN DER PRAXIS
AM BEISPIEL DER MINERALÖL-UNTERNEHMEN
Wolfgang Müller-Michaelis
in: W. Faulstich "Image - Imageanalyse - Imagegestaltung"
2. Lüneburger Kolloqium zur Medienwissenschaft, Bardowick 1992
Wir verstehen Image als die Vorstellung, die ein Außenstehender von einer Marke, einer Firma, einer Person, einer Institution hat. Der Normal-Fall des Image-Problems besteht in der Abweichung der einzelnen Faktoren des Image-Profils von dem in der Realität tatsächlich gegebenen Befund.
Eine totale Übereinstimmung der Faktorenwerte des Image-Profils mit dem realen Befund dürfte ein Grenzfall sein, der wohl äußerst selten eintritt und dort, wo er realisiert wird, wahrscheinlich dem Zustand höchster Glückseligkeit gleichkommt. Wer strebte nicht danach, daß das Bild, das sich die Außenwelt von ihm macht, eine totale Harmonie mit der eigenen Befindlichkeit erreichte?
Öfter, aber doch relativ selten kommt der Fall einer positiven Norm-Abweichung der Image-Werte vom realen Befund vor. Sie ist weniger in der Wirtschaft, häufiger in der Politik anzutreffen und birgt, wo sie auftritt, erhebliche Gefahren-Potentiale in sich.
Ein klassisches Beispiel für die positive Norm-Abweichung in der Wirtschaft ist der Fall des britischen Verlegers Maxwell aus dem Jahre 1991, der vermutlich durch Mißbrauch der eigenen Medienmacht eine Verfälschung des Bildes über die tatsächliche wirtschaftliche Situation des Verlagshauses bewirkte.
In der Politik haben wir den Extrem-Fall einer positiven Norm-Abweichung (den Aufstieg Adolf Hitlers zum Reichskanzler und "Führer") als "Image-GAU" in der jüngeren deutschen Geschichte erlebt, mit den katastrophalen Folgen eines weltumspannenden Krieges. Der Normal-Fall des Image-Problems ist die negative Norm-Abweichung der Image-Faktorenwerte vom realen Befund (Unternehmensverhalten).
Die negative Norm-Abweichung stellt für den Betroffenen ein Ärgernis dar, weil er seine Leistung von der Außenwelt falsch und ungerecht gewürdigt sieht. Um dieses nach seiner Auffassung ungerechte Werturteil zum Besseren zu korrigieren, bedient er sich der Mittel der Public Relations bzw. der Öffentlichkeitsarbeit. Die negative Norm-Abweichung ist demnach Auslöser für das Entstehen von PR. Die Abweichung des schlechten Scheins vom realen Sein begründet ein zeitlich unbegrenztes Beschäftigungs-Programm für einen ganzen Berufsstand.
Die Frage ist, ob unter den Bedingungen der bestehenden gesellschaftlichen Kommunikations-Strukturen überhaupt eine andere als die negative Norm-Abweichung als Normal-Fall des Image-Problems erwartet werden kann.
Dies ist darum nicht der Fall, weil im Urteil des Außenstehenden die emotionalen Elemente gegenüber den rationalen überwiegen. Der Grund dafür ist weniger Böswilligkeit des Urteilenden als vielmehr das hier zum Zuge kommende "Plausibilitäts-Syndrom", das das soziale Kommunikationsverhalten der Menschen maßgeblich bestimmt. Da man die komplexen und komplizierten Hintergründe einer Sachlage im Normalfall nicht kennt, bildet man sich sein Urteil anhand der an der Oberfläche sichtbaren Erscheinungen der Sache, die aber in den seltensten Fällen ausreichen, um den Vorgang in seinem vollen Umfang zu erklären. Schon ist das Vor-Urteil geboren, bei dem auch eine Ahnung von Unwissenheit mitschwingen mag, die über den Umweg der Instinkte Vorsicht und Mißtrauen eine größere Affinität zu negativen als zu positiven Werturteilen aufweist.
Nun haben wir es bei den Mineralöl-Unternehmen mit Wirtschaftseinheiten zu tun, deren Tätigkeitsfelder tatsächlich komplex und kompliziert strukturiert sind. Zu ihrem Verständnis sind natur- und wirtschaftswissenschaftliche Kenntnisse ebenso erforderlich wie psychologische und politische. D.h., daß sich der Betrachter bei der Einschätzung eines Mineralöl-Untemehmens in der Regel rational überfordert sieht und daher nicht selten in die Emotion ausweicht.
Dabei ist die zeitweilige Heftigkeit der emotionalen Reaktion der Verbraucher ein markantes Phänomen der Image-Wertung von Mineralöl-Unternehmen. Sie erklärt sich auch aus der ubiquitären Eigenschaft der Mineralölprodukte und der Lebensnotwendigkeit ihres Einsatzes und ihrer Verwendung. Dieser Zusammenhang wird angesprochen, wenn zuweilen gesagt wird, daß der Benzinpreis heute die Funktion des Brotpreises früherer geschichtlicher Epochen übernommen habe. So wie seit den Zeiten des Altertums starke Veränderungen des Brotpreises als Folge der ihnen zugrundeliegenden Getreidepreisschwankungen Auslöser sozialer Spannungen bis hin zu Revolutionen, Auswanderungs-Wellen oder gar Kriegen waren, sind seit dem 2. Weltkrieg Veränderungen der Ölpreise - genauer der Benzinpreise als Folge der ihnen zugrunde liegenden Rohölpreis-Schwankungen - Auslöser starker emotionaler Eruptionen der öffentlichen Meinung.
Angesichts seines existenziellen Angewiesenseins auf das Auto ist im Unterbewußtsein des modernen Wirtschaftsbürgers offenbar sein Abhängigkeits-Empfinden von dauerhaften und bezahlbaren Öllieferungen tief verankert. Störungen auf der Mengen- oder Preisseite - bisher hat es nie ernsthafte Mengen-Krisen, aber in den 70er Jahren in kurzer Aufeinanderfolge zwei heftige Preisexplosionen gegeben - führen daher in der modernen Massengesellschaft zu ähnlich heftigen Reaktionen, wie dies von frühgeschichtlichen Störungen in der Nahrungsmittelversorgung überliefert ist.
Die Angst vor krisenhafter Zuspitzung der Versorgungslage sucht nach einem emotionalen Ventil. So wie im Altertum der Überbringer der Unglücksbotschaft als das personifizierte Unheil galt (und entsprechend behandelt wurde), gilt heute der Indikator "Benzinpreis" und das ihn auszeichnende Mineralöl-Unternehmen zugleich auch als Urheber des eingetretenen Übels. Das "Plausibilitäts-Syndrom" kommt zum Zuge und die emotionale Aufwallung bricht sich in Entrüstung über eine vermutete ungezügelte Profitgier der Ölmultis Bahn.
Eine rationale Analyse der auslösenden Faktoren führt demgegenüber zum Ergebnis, daß die Benzinpreis-Explosionen durch heftige Bewegungen auf den internationalen Rohstoffmärkten verursacht wurden, die ihrerseits wegen der geografischen Konzentration der Ölreserven in jener Region ihren Ausgang bisher stets in der Zuspitzung von Nahost-Krisen hatten, wie in der jüngeren Geschichte im Yom-Kippur-Krieg vom Oktober 1973, in der Iran-Revolution vom Februar 1979 sowie in der Golfkrise vom August 1990.
Wir stellen demnach fest, daß Wirtschaftsbereiche, deren Märkte maßgeblichen internationalen Einflüssen unterliegen, eine gewisse Affinität für emotionale Reaktionen der betroffenen Wirtschaftsbürger aufweisen, die zu erheblichen negativen Norm-Abweichungen der Image-Faktorenwerte vom realen Unternehmensverhalten führen können.
Dies ist allerdings nur eine hinreichende, keine notwendige Bedingung für die Abhängigkeit von Image und Internationalität der Märkte, wie das Beispiel der Kaffeeröstereien zeigt, die ebenfalls starken internationalen Preisschwankungen beim Rohkaffee ausgesetzt sind, aber keine den Mineralöl-Unternehmen vergleichbaren Image-Probleme kennen. Es muß demnach noch andere die negative Norm-Abweichung erklärende Einflußfaktoren geben.
2. Image hat eine Geschichte
Dazu gehört u. a. auch die Frühgeschichte der Branche, in der die Unternehmen tätig sind.
Die Mode-Branche beispielsweise als eine der ältesten Wirtschafts-Branchen der Menschheit überhaupt ist von ihrer Funktion her darauf gerichtet, der Schönheit des Weibes zu dienen, indem sie diese durch künstliche Drapierungen noch verstärkt. Bei dieser Aufgabenstellung haben Unternehmen dieser Branche ex definitione praktisch keine Image-Probleme. Das Mode-Thema weist per se archaische Vorprägungen für positive Image-Werte auf.
Auch die Firmen der Automobil-Branche, deren Entstehungsgeschichte mit der Geburtsstunde von "High-Tech" gleichzusetzen ist, erfreuen sich maßgeblich aus diesem Grunde durchgehend konstanter hoher Image-Werte. Glanz und Gloria der jährlichen internationalen Auto-Salons gehören zu den Höhepunkten der Medien-Spektakel. Der im wesentlichen von den Automobilfirmen gesponserte internationale Rennsport erfreut sich ungebrochen des größten Publikumsinteresses.
Dabei ist nicht die positive Einschätzung von "High-Tech" an sich der Grund für die grundsätzlich positive Image-Anmutung von Automobilmarken, sondern diese spezifische Ausformung der High-Tech-Anwendung.
Andere High-Tech-Nutzungen haben dagegen "schlechtere Karten" in der Image-Wertung wie z.B. Waffenproduzenten; hier allerdings ausdrücklich wieder ausgenommen die Hersteller von Präzisions-Kleinwaffen.
Angesichts der positiven Image-Grundwerte von Automobilmarken ist es auf den ersten Blick verwunderlich, daß hiervon so wenig auf jene Firmen "abfärbt", die diese Lieblings-Spielzeuge des modernen Konsumbürgers überhaupt erst zum Laufen bringen, auf die Mineralöl-Unternehmen.
Bei ihnen wird der hohe Nutzwert, den sie mit ihren Produkten bieten, durch archaische Vorprägungen negativer Art aus ihrer Frühgeschichte überstrahlt.
Die Mineralölindustrie ist ein relativ junger Wirtschaftszweig. Die erste erfolgreiche industrielle Ölbohrung wurde 1859 in Titusville/Pennsylvania niedergebracht. Die Geschichte dieser Jahre des Entstehens der amerikanischen Ölsyndikate wurde nicht mit Samthandschuhen geschrieben. Ähnlich wie beim Bau der ersten Eisenbahnlinien und der Erschließung der amerikanischen Kohlegruben ging es hart zur Sache. Kampf auf Biegen und Brechen war der Vater der Geschichte der Ölindustrie. An ihrer Wiege stand daher von der ersten Stunde an eine kritische öffentliche Meinung. Es ist deshalb auch bezeichnend, daß die Notwendigkeit, unternehmerische Aktivitäten bereits in der frühen amerikanischen Ölindustrie in der Öffentlichkeit zu verteidigen, zugleich die Geburtsstunde der Public Relations überhaupt markiert. Die moderne PR ist ein "Kind der Not", der um ihr öffentliches Ansehen bemühten Pioniere der amerikanischen Ölindustrie.
Es war John D. Rockefeller, Gründer der Standard Oil Gesellschaften - u.a. auch der Standard Oil of Ohio (Sohio), der Vorgängerin der BP Amerika -, der im Jahre 1905 den freien Journalisten Ivy Lee, Sohn eines Methodisten-Predigers, als PR-Berater engagierte. Ivy Lee entwickelte eine sogenannte "Declaration of Principles" in der es heißt:
"Unser Plan ist, kurz und offen, die Presse und die Bevölkerung schnell und genau über die Tatsachen zu unterrichten, die für sie von Wert und Interesse sind."
Diese Geburtsstunde der modernen PR dokumentiert aufs Deutlichste, wie notwendig die Image-Pflege offensichtlich gerade nach der von abstoßenden Kämpfen geprägten Frühzeit in der zu nationaler Wirtschaftsbedeutung aufsteigenden amerikanischen Mineralöl-Industrie wurde.
3. Image-Profil und seine Faktoren
Image ist ein sowohl zur Dauerhaftigkeit als auch zur Flüchtigkeit neigendes Phänomen, das durch hohe Reagibilität und Sensibilität gekennzeichnet ist und daher eine starke Anfälligkeit für Schwankungen im Zeitablauf besitzt. Da Unternehmenserfolg und gutes Image eine hohe positive Korrelation aufweisen, ist das Streben nach Image-Verbesserung eine conditio sine qua non unternehmerischen Handelns. Der Zufall hat es gewollt, daß in der aktuellsten Image-Untersuchung der deutschen Unternehmens-Landschaft (ImageProfile/92 des "manager magazin", mm 5/92, 5. 35ff.) die Gruppe der Mineralöl-Untemehmen zu den Gewinnern mit den höchsten Image-Zuwächsen gegenüber der Erhebung von 1991 gehören. In der Untersuchung werden das Gesamt-Image sowie fünf Faktoren des Image-Profils der hundert größten deutschen Unternehmen in jährlichem Abstand (seit 1987) erhoben. Als Image-Faktoren werden gemessen: Management-Qualität, Innovation, Kommunikation, Solidität und Umweltorientierung.
Die Plätze Nummer 1 und 2 nehmen 1992 wie im Vorjahr die Automobil marken Daimler Benz und BMW ein, die Schlußlichter bilden die beiden saarländischen Montan-Unternehmen Dillinger Hütte Saarstahl und Saarbergwerke. Die als sogenannte A-Gesellschaften geltenden fünf größten deutschen Mineralölgesellschaften Aral, Esso, Shell, DEA, BP verteilen sich 1992 auf Plätze, die von Nummer 33 bis 51 reichen, nachdem die Streubreite ihrer Einordnung im letzten Jahr noch von Nummer 57 bis 71 gereicht hatte. Diese sehr starke Fluktuation innerhalb eines Jahres dokumentiert die hohe Reagibilität des Images der Mineralöl-Unternehmen auf aktuelle Weltmarkt-Einflüsse. Die totale Ruhe an der Weltölpreis-Front nach Beendigung des Golf-Krieges mit der Folge eines Verfalls der Rohöl-Preise und dadurch bedingt sinkender Tendenz der Tankstellen-Preise löst Zufriedenheit beim Verbraucher aus und nimmt die Ölmultis für längere Zeiten aus den Schlagzeilen der Boulevard-Presse.
Das gilt zumindest für das Branchen-Image, d.h. die relative Einordnung der Image-Werte aller Mineralöl-Unternehmen im Rahmen der Gesamt-Image-Erhebung der deutschen Wirtschaft, wie sie in der Profil-Untersuchung des "manager magazin" vorgenommen wurde.
Das branchen-interne Company-Image der Mineralöl-Unternehmen untereinander, wie es regelmäßig in der branchen-eigenen Marktforschung ermittelt wird, weist demgegenüber längerfristig konstantere Profile der miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen aus.
In diesen regelmäßig durchgeführten Company-Image-Untersuchungen werden folgende 11 Merkmale des Image-Profils eines Mineralölunternehmens erhoben:
Die Vorstände der Mineralöl-Unternehmen erwarten die Auswertung der jährlich durchgeführten Image-Erhebungen jeweils mit Spannung, um zu prüfen, inwieweit Änderungen in der Wertung einzelner Faktoren des Image-Profils ihres eigenen Unternehmens oder Bewegungen in den Profil-Diagrammen der Wettbewerber im Verhältnis zueinander stattgefunden haben.
Die Ergebnisse dieser Company-Image-Untersuchungen sind entscheidende Impulsgeber für Adjustierungen der PR-Strategien der einzelnen Firmen.
Angesichts eines stark von Weltmarkt-Einflüssen abhängigen Branchen-Images, das durch autonome Unternehmens-Strategien kaum beeinflußbar ist, wird der branchen-interne Kampf um den "Goldenen Lorbeer" des Image-Favoriten um so heftiger ausgetragen. In diesem Kampf um marginale Image-Wertveränderungen, die sich in unmittelbaren Marktanteils-Veränderungen auswirken, treffen fünf Unternehmens-Gruppen aufeinander, die sich hinsichtlich Unternehmensgröße, Kapitalkraft, Bekanntheitsgrad, regionaler Verteilung im Markt, Preisverhalten und dergleichen deutlich voneinander unterscheiden.
Diese bunte Mischung der Marktteilnehmer ist zugleich Garant für einen äußerst harten Wettbewerb am deutschen Tankstellenmarkt. Da weitgehend homogene Produkte angeboten werden, ist Differenzierung im Wettbewerb praktisch nur über möglichst kontrastreiche Profilierung des Company-Images erreichbar. Die Image-Strategie des Mineralöl-Unternehmens hat daher sowohl eine defensive Komponente, soweit sie Themenbereiche betrifft, die das Branchen-Image berühren, als auch eine offensive Komponente, soweit es um die branchen-interne Image-Profilierung geht. Dabei spielt die Farbe der fünf großen Farben-Gesellschaften eine maßgebliche Rolle. Ob Blau, Rot, Gelb, Grün oder Schwarz - hinter jeder Farbe steht letztlich eine unternehmerische PR-Philosophie, die in erster Linie von der unternehmens-spezifischen Marketing-Strategie geprägt ist. Hinzu kommt die von Unternehmen zu Unternehmen deutlich unterschiedliche Gewichtung der Bedeutung, die den einzelnen Faktoren des Company-Image-Profils in der jeweiligen PR-Strategie beigemessen wird.
In meinem Fall als dem langjährig für die "grüne Marke" zuständigen PR-Chef habe ich oft die tiefe Wahrheit der Selbsterkenntnis von Kermit, dem Frosch, nachempfinden können: "It's not easy being green." Denn mit der grünen Farbe wird wohl oder übel ein politischer Anspruch assoziiert, dem ein Ölmulti von der Natur seiner Unternehmenstätigkeit her nur mit Mühe entsprechen kann. Hinzu kam, daß im letzten Drittel meiner Amtszeit ein Platzwechsel innerhalb der Fünfer-Gruppe eintrat, weil die hinter der "grünen" an fünfter Stelle rangierende Marke von einem "Multi" zu einer "nationalen Marke" mutierte (Texaco wurde zu DEA) und von Stund an mit feschem schwarzen Anzug und nationalem Flaggenbonus an "grün" vorbeizog.
Zusammenfassend gilt, daß im Unterschied zu dem Weltmarkteinflüssen unterliegenden und daher eher Schwankungen ausgesetzten Branchen-Image die branchen-internen Company-Image-Profile der Mineralöl-Untemehmen von bemerkenswerter Konstanz sind.
4. Image und Medien
Die Zeitlosigkeit des Image-Problems wird am augenfälligsten dadurch dokumentiert, daß es bereits in der Märchen- und Sagenwelt thematisiert wird. Was Schneewittchens böse Stiefmutter im Spiegel erfahren wollte, war letztlich, wie es um ihr Image bestellt sei. Ihre Reaktion auf die dabei erfahrene negative Normabweichung ist als durchaus klassisch einzustufen, auch wenn ihre Abwehr-Strategie - Auftragsmord zur Beseitigung der Konkurrentin - nicht mehr unbedingt zeitgemäß sein dürfte.
Auch heutzutage erfahren viele Zeitgenossen oder Firmen gewollt oder ungewollt aus dem "Spiegel", wie es um ihr Image bestellt ist. Die Medien als Übermittlungsinstrument der veröffentlichten Meinung sind Image-Indikator und Beeinflussungsfaktor für Image-Veränderungen in einem. Zugleich sind die Medien in ihrer ertragreichsten gewerblichen Dienstleistungsfunktion aber auch Anzeigen- bzw. Werbespot-Transporteure für die werbende Wirtschaft, insbesondere auch für die Mineralöl-Unternehmen. Aus dieser Doppelfunktion der Medien erwächst zwischen ihnen und den Unternehmen ein ambivalentes, spannungsgeladenes Verhältnis.
Es erreicht seine Hochspannungs-Zustände jeweils in Zeiten stark steigender Benzinpreise. Dann nimmt sowohl in der Boulevard-Presse als auch in den elektronischen Medien die Nachrichtenübermittlung und Kommentierung zu preispolitischen Maßnahmen der Mineralöl-Unternehmen die Form einer wahren Kriegsberichterstattung an.
Der Marktanteilskampf der Medien untereinander entlädt sich in einem Kreativitäts-Wettbewerb um die härtesten Verbal-Injurien zur Anprangerung der angeblichen Profitgier der Ölmultis in den Head Lines und Fernseh-Kommentaren.
Ich verweise in diesem Zusammenhang auf meinen Beitrag bei den Hamburger Medientagen 1983 (Tagungsort war das Parlament im Hamburger Rathaus, die Hamburger Bürgerschaft, siehe Dokumentation "Macht und Medien", Verlag Hans-Bredow Institut, Hamburg 1984), wo ich in einem Dialog mit dem damaligen Wirtschaftsredakteur und heutigen Chefredakteur des "Spiegel", Wolfgang Kaden, die nicht unproblematische Doppelfunktion der Medien kritisch beleuchtet habe: hie Wächteramt zur Kontrolle wirtschaftlicher Macht, hie Ausübung eigener Wirtschaftsmacht, die sich im Kampf um die Auflagenhöhe bzw. Einschaltquote manifestiert.
Ich konnte damals nachweisen, daß in dem Zehnjahreszeitraum 1973 bis 1983 der Anstieg der Benzinpreise exakt dieselbe Höhe erreichte wie der Preis des "Spiegel" (Zu einem analytischen Exkurs über die Benzinpreispolitik der Mineralöl-Gesellschaften verweise ich auf den Aufsatz "Der Benzinpreis - die Fakten" in BP-Werkzeitschrift: "dabei" Nr. 4/1990).
Hier soll nur festgehalten werden, daß entgegen der von der Medienberichterstattung bewirkten emotionalen Vorstellung der Benzinpreis tatsächlich, über längere Zeiträume betrachtet, von einer erstaunlichen Konstanz gekennzeichnet ist. Niveau-Verschiebungen werden praktisch nur von (bleibenden) Steuererhöhungen und/oder durch in beide Richtungen laufende Rohstoffkostenveränderungen verursacht (Siehe hierzu auch die aktuelle Glosse von Hans Baumann in "Die Welt" vom 11.06.1992, "Alle Sommer wieder", zu dem von ihm so bezeichneten "Märchen von den hohen Benzinpreisen zur Urlaubszeit").
Es ist offensichtlich, daß eine "negative Presse", wie im Zusammenhang mit der Benzinpreispolitik immer wieder erlebt - völlig unabhängig von der Frage, wie begründet oder unbegründet sie von der Sache her auch sein mag -, in sich selbst Fakten für Image-Profil-Veränderungen setzt.
Die Mineralöl-Unternehmen haben gelernt, daß in Zeiten emotionaler Anwürfe die Versuche rationaler Erklärung eher kontraproduktiv sind. Wer in einer Krisensituation durch die Medien zum "Buhmann", zum Verursacher des Übels erkoren ist, tut gut daran, die Erregung nicht durch rationale Rechtfertigungsversuche noch zu eskalieren. Die optimale PR-Strategie kann nur sein, zielgruppenorientiert vorzugehen, d.h.:
Aus dieser dualen, gleichzeitig auf Rationalität und auf Emotionalität setzenden PR-Strategie ist beispielsweise die zehn Jahre währende Partnerschaft zwischen dem Mineralöl-Unternehmen BP und dem Sportverein HSV entstanden, die u. a. auch die finanziellen Voraussetzungen schuf, Sport-Stars wie Kevin Keegan aus England und Franz Beckenbauer (seinerzeit aus den USA) nach Hamburg zu holen und dem Unternehmen mit dieser sportlichen Profilierung einen ausgleichenden Sympathie-Zugewinn für den an der Benzinpreis-Front erlittenen Sympathie-Verlust zu verschaffen.
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aus: W. Faulstich "Image - Imageanalyse - Imagegestaltung", Bardowick 1992, S. 54-63