Kommunikationsbranche als Pioniermarkt der Informationsgesellschaft
aus: "Kein Mangel an Arbeit - Eine Chance für den Standort D"

Wolfgang Müller-Michaelis

Den zukunftsöffnenden Ideen der Postmoderne entstammt die Vision, daß Erwerbsarbeit von der Umwandlung von Rohstoffen in materielle Güter mehr und mehr in die Verarbeitung von Wissen zu immateriellen Leistungen übergehe. So sieht der französische Philosoph Jean-Francois Lyotard hierin den Übergang von der materie-orientierten Industrie- zur geist-orientieren Informationsgesellschaft begründet. Die Irritation und unterschwellige Ablehnung, die dieses philosophische Konzept vom Leben in der nachindustriellen Epoche in Teilen der Sozialwissenschaften ausgelöst hat, wurzelt in der Befürchtung, daß die Wanderung der Arbeitsplätze aus der Industrie in die Dienstleistungen und in die im Aufbau begriffene "weiße Wirtschaft" mit einem Ende industrieller Wohlstandsmehrung verbunden sei. Dies ist aber keineswegs der Fall, denn die Unverzichtbarkeit industrieller Produktion liegt im unveränderbaren Bedarf an Investitions-, Gebrauchs- und Verbrauchsgütern und nicht zuletzt an komplementärer IuK-Hard- und Software, mit der die Informationsleistungen überhaupt erst verarbeitet und transportiert sowie marktfähig und nutzbar gemacht werden können.

"Arbeitsleeres Wachstum" der Industrie bedeutet zwar, daß in diesem Sektor der Volkswirtschaft menschliche Arbeitskraft durch "HighTech-Sklaven" ersetzt wird, heißt aber zugleich auch, daß dadurch die industrielle Wertschöpfungskraft in ungeahntem Ausmaß gesteigert wird. Der humanitäre Fortschritt dieses Übergangs beruht darin, daß die Menschen von industrieller "Fronarbeit" befreit werden und sich menschenwürdigeren gesellschafts-unmittelbaren Aufgaben zuwenden können. Das Ende industrieller Erwerbsarbeit bedeutet demnach nicht das Ende von gesellschaftsdienlichem Tätigsein schlechthin. Ihr Einkommen werden die Menschen in der Informationsgesellschaft im wesentlichen aus zwei Quellen beziehen: Erstens aus Beteiligungseinkünften aus der enorm steigenden Ertragskraft der Industrie. Zweitens aus der Verarbeitung von Geist und Wissen (statt aus der Verarbeitung von Materie) und mit der Vermarktung der daraus gewonnenen geistigen Leistungen (zusätzlich zu der auch weiterhin zu betreibenden Vermarktung materieller Produkte).

In dieser dimensionalen Ausweitung ihrer angestammten Aufgaben ist auch die Zukunft der Kommunikationsbranche begründet. Bezieht man die Medienwirtschaft und andere wissensverarbeitende Dienstleistungsbereiche in diese Betrachtung ein und beschreibt die spezifischen Merkmale der in ihnen ablaufenden Wertschöpfungsprozesse, wird deutlich, worin sich diese nachindustrielle Wirtschaftsweise von der rohstoffverarbeitenden Industriewirtschaft unterscheidet. Es ist die zunehmende Ergänzung der Erzeugung physischer Güter durch immaterielle Leistungen, deren Einsatzstoffe statt natürlicher Ressourcen digitalisierbare Vorlagen wie Daten, Texte, Bilder und Tonfolgen sind.

Die grundsätzliche Andersartigkeit beider Wertschöpfungsbereiche liegt neben ihrem unterschiedlichen Rohstoffbezug in ihren divergierenden Wachstumstempi, die zu starken Anteilsverschiebungen an der gesamtwirtschaftlichen Leistung zugunsten des Dienstleistungssektors führen sowie in der Wanderung der Arbeitsplätze aus der Industrie in diesen Bereich. Dieser Übergang wird als Einstieg in die Wissensgesellschaft beschrieben, weil es sich bei den Rohstoffen der Informationsgesellschaft in Form von Daten, Texten, Bildern und Tönen um ausschließlich geistige Leistungen handelt. Und da der integrierende Prozeß von Eingabe, Verarbeitung und Nutzung des Wissensrohstoffs die Kommunikation ist, gilt als beherrschende Kraft der nachindustriellen Wirtschaftsweise der Produktionsfaktor Kommunikation oder Faktor "K".

Für sich genommen stellen weder der Wissensrohstoff noch der Faktor "K" etwas Neues dar. Im Gegenteil: sie bestimmen die Entwicklung seit die Menschen begannen, sich in gesellschaftlichen Verbänden zu organisieren und sie sind seit je unabdingbare Voraussetzung für die Hervorbringung kultureller Leistungen gewesen. Seit den Kulturen des Altertums bis zu den Errungenschaften von Wissenschaft und Hochtechnologie der Neuzeit bestimmen die Sammlung von Wissen sowie ihre Nutzung durch die Fähigkeit zur Kommunikation den Fortschritt. Daß ihnen erst am Übergang in das 21. Jahrhundert die Bedeutung zugeschrieben wird, speziell für die wirtschaftliche Entwicklung und damit für die Höhe von Beschäftigung und Einkommen immer wichtiger zu werden, ist den erst jetzt auf breiter Front zum Einsatz kommenden Informations- und Kommunikationstechnologien zuzuschreiben, die ihrer als Rohstoff und Produktionsfaktor bedürfen. Die mit der Verbreiterung der Rohstoffbasis von den physischen Ressourcen auf den Wissensrohstoff zugleich auch verbundene Ausweitung der Wirtschaftstätigkeit auf traditionell wirtschaftsferne Lebensbereiche dringt erst allmählich in das Bewußtsein der Zeitgenossen ein. Darum wird der Abbau industrieller Arbeitsplätze von der breiten Öffentlichkeit, aber auch von der Politik und selbst von Teilen der Sozialwissenschaften noch immer als Einbahnstraße in Richtung eines generellen Rückgangs von Erwerbsarbeit mißverstanden.

Als Durchbruch für die Lösung der Beschäftigungsfrage wird bisher kaum wahrgenommen, daß mit dem Einsatz der modernen IuK-Technologien in neuen Anwendungs- und Nutzungsbereichen über die schnell an Bedeutung gewinnenden IKT-Märkte hinaus eine unorthodoxe, rohstoffungebundene Art des Wirtschaftens mit neuartigen Beschäftigungs- und Erwerbsmöglichkeiten im Entstehen begriffen ist. Dies aber ist das eigentlich Neue, um das es geht, wenn vom Übergang in die Wissensgesellschaft und in das Informationszeitalter die Rede ist. Die Wirtschaftsbürger des 21. Jahrhunderts werden ihrer Erwerbsarbeit außer in den etablierten Beschäftigungsfeldern der Industrie, des Gewerbes und des Handwerks, der Dienstleistungen und der öffentlichen Verwaltungen in zunehmendem Maße sowohl in der aufkommenden IKT-Wirtschaft als auch in den durch sie erschlossenen Bereichen der "weißen Wirtschaft" nachgehen. Dazu werden vor allem die Bildungsökonomie und die Kulturwirtschaft, die Sport- und Unterhaltungsbranche, der Tourismus, die medizinische und sozialpflegerische Versorgung sowie die Humanitären Dienste gehören.

Die Menschen werden in dieser die traditionelle Wirtschaft mehr und mehr überlagernden Informationsökonomie ganz ähnliche dienstleistende Tätigkeiten ausüben, wie sie es bereits zuzeiten der Industrieepoche in jenen Dienstleistungssektoren getan haben, denen man eine Art Brückenfunktion des Übergangs von traditioneller Volkswirtschaft in die nachindustrielle Wirtschaft zuschreiben kann, wie z.B. in der Kommunikationsbranche und in der Medienwirtschaft.

Die Kommunikationsbranche verbindet mit der Medienwirtschaft, daß es bei beiden um das Verbreiten von Botschaften geht. Während die Medienwirtschaft als Mittler von Botschaften aus den Bereichen Kunst und Kultur, Religion und Wissenschaft entstanden ist, wozu sich im Laufe der Entwicklung die Berichterstattung über das Zeitgeschehen gesellt hat, ist Gegenstand der Kommunikationsbranche die Vermittlung von Botschaften der Wirtschaft und gesellschaftlicher Organisationen, die aus Nützlichkeitserwägungen auf sich und ihre Leistungen aufmerksam machen wollen.

Beide Wirtschaftszweige sind insoweit miteinander verflochten, als sich die Kommunikationsbranche einerseits bei der Erfüllung ihrer Aufgaben der Medien instrumental bedient und der Mediensektor andererseits seine heutige wirtschaftliche Bedeutung dieser Dienstleistungsfunktion als Werbeträger verdankt. Diese historisch aus den Marketingerfordernissen der Industriewirtschaft zunächst als Nebenrolle erwachsene Werbeträgereigenschaft der Medien hat heute in vielen Fällen eine mindestens gleichgewichtige wenn nicht gar größere Bedeutung neben ihrer originären Übermittlungsfunktion von Nachrichten und geistigen Gütern erlangt.

Im Printmedienbereich sind es vor allem die Anzeigenblätter, die vorrangig als Werbeträger entstanden sind und deren für die Werbefunktion erforderliche Auflagenhöhe über kostenlose Verteilung sichergestellt wird. Immerhin erreichen die Anzeigenblätter eine Gesamtauflage von 80 Millionen Stück, im Vergleich zur verkauften Auflage sämtlicher deutschen Tageszeitungen von 30 Millionen Exemplaren (1997). Die journalistische Berichterstattung erfolgt in diesen Anzeigenblättern eher als schmückendes Beiwerk, um die für den Werbeerfolg notwendige Leserbindung zu erreichen. Auch die überbordende Fülle von Zeitschriftentiteln, die an den Zeitungskiosken ein Bild großer Medienvielfalt suggerieren, ist in vielen Fällen weniger auf eine spezifische Nachfrage des Lesepublikums als vielmehr auf den wachsenden Bedarf der Wirtschaft an Anzeigenraum zurückzuführen, dem in den etablierten Blättern nicht entsprochen werden kann. Das Erscheinen immer wieder neuer Titel im Bereich der Publikumszeitschriften ist maßgeblich diesem Druck seitens der werbetreibenden Wirtschaft zuzuschreiben. Die oftmals kurze Lebensdauer dieser Titel macht deutlich, wie schwierig es ist, in einem informationsgesättigten Publikum neue Leserbindungen dauerhaft aufzubauen.

Im Bereich der elektronischen Medien sind aus diesen Werbeerfordernissen der Wirtschaft die privaten TV- und Rundfunksender hervorgegangen. Verleger aus dem Printmedienbereich gehören daher zu den Gründungsvätern privater Rundfunk- und Fernsehunternehmen. Wie bei den Anzeigenblättern im Printmedienbereich wird der Anreiz zur Nutzung des privaten Rundfunks und Fernsehens über den kostenfreien Empfang geschaffen. Der Wettbewerb um möglichst hohe Einschaltquoten, der mit entsprechenden Werbeeinnahmen den wirtschaftlichen Erfolg der Sender sichert, ist nur über das Angebot attraktiver Programme zu bestehen. Dieser marktgesteuerte Mechanismus hat eine sich selbst nährende Wachstumsdynamik für beide Bereiche, die Kommunikationsbranche wie die Medienwirtschaft, zur Folge. Sie hat dazu geführt, daß beide Sektoren in ihrer arbeitsteiligen Verbundenheit und mit ihren sich wechselseitig stimulierenden Wachstumsimpulsen zu Trägern der Wirtschaftsentwicklung in den hoch entwickelten Volkswirtschaften geworden sind. So gehören die Massenmedien, die ihre wirtschaftliche Bedeutung ihrer Funktion als Werbedienstleister verdanken, selbst zu den am stärksten werbetreibenden Unternehmen der deutschen Volkswirtschaft. Mit 2,5 Milliarden DM an Werbeaufwendungen belegte die Medienwirtschaft unter den werbestärksten Branchen 1997 in Deutschland den zweiten Platz nach der Automobilwerbung. Dieses Geld war offensichtlich gut angelegt, denn gleichzeitig erreichten die Werbeeinnahmen der Medien die Rekordhöhe von 38,6 Milliarden DM. Mit Steigerungsraten von vier bis fünf Prozent wird in den kommenden Jahren gerechnet.

Zeichen dieser ausgeprägten Wachstumsdynamik der Kommunikationsbranche sind langfristig stabile Leistungsbeiträge zum Sozialprodukt sowie ein wachsendes Beschäftigungsangebot. Dieser Trend wird durch den Einsatz der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien, die in beiden Sektoren ihre ersten großtechnischen Anwendungen und Nutzungen erfahren haben, nur noch verstärkt.

Einkauf von Anzeigenraum und Werbezeiten bei den Medien sowie deren Vermittlung an die werbetreibende Wirtschaft sind nur ein Teil der Aufgaben der Kommunikationsbranche. Der kreative und eigenschöpferische Beitrag dieses Wirtschaftszweiges liegt in der konzeptionellen und künstlerischen Gestaltung der Werbebotschaften sowie in der Herstellung der Werbemittel. Alle drei Komponenten zusammen bilden die sog. Werbeinvestitionen, die den Gesamtumsatz der Werbewirtschaft ausmachen und die 1997 mit 56,6 Milliarden DM einen Anteil von 1,6 Prozent am Sozialprodukt erreichten.

Interessant ist, daß unter den 25 werbestärksten Branchen, die mit 19 Milliarden DM ein Drittel aller Werbeinvestitionen auf sich vereinigen, im Jahre 1997 die Dienstleistungswirtschaft im Verein mit den IT-, TK- und Multimedia-Branchen mit zehn Milliarden DM der etablierten werbetreibenden Industrie mit neun Milliarden DM erstmalig den Rang abgelaufen hat. Betrachtet man die einzelnen Mediengattungen hinsichtlich ihrer Attraktionskraft als Werbeträger, rangieren auch im Zeitalter der elektronischen Medien die Tageszeitungen in Deutschland noch immer an erster Stelle. 10,9 Milliarden DM haben sie 1997 im Anzeigengeschäft verdient. Die Printmedien insgesamt brachten es auf 23 Milliarden DM, während die elektronischen Medien 8,6 Milliarden DM an Werbeeinnahmen verbuchten, davon das Fernsehen 7,4 Milliarden DM und der Rundfunk 1,2 Milliarden DM. Unter den Fernsehsendern führt RTL mit Einnahmen in Höhe von 2,2 Milliarden DM vor SAT.1 mit 1,7 Milliarden DM und Pro Sieben mit 1,6 Milliarden DM. Alle übrigen privaten TV-Sender bringen es zusammen auf 1,3 Milliarden DM, während die öffentlich-rechtlichen Anstalten ARD und ZDF zusätzlich zu ihren Gebühreneinnahmen Werbeeinkünfte in Höhe von jeweils 308 Millionen DM erzielen.

Die sonstigen Werbeträger, zu denen die Außenwerbung, die Kinoreklame und die Werbung per Post gehören, erreichen ein Werbeaufkommen von zusammen sieben Milliarden DM. Die Online-Werbung per Internet befindet sich in Deutschland im Unterschied zur Situation in den USA noch im Experimentierstadium. So haben die Schaltungen von Banner- und Button-Werbung in fremden Online-Angeboten im Internet hierzulande erst 1998 zu nennenswerten Einnahmen geführt. Vorher war die für die Wirkungskontrolle dieser neuen Werbemethode erforderliche Software nicht zur Marktreife gelangt. Ende 1997 hat sich in Hamburg mit dem Internet-Advertising-Bureau (IAB) ein 80 Mitgliedsfirmen umfassender Verband gebildet, dem werbungtreibende Unternehmen, Mediengesellschaften, Vermarkter, Agenturen, Beratungsfirmen und Marktforschungsinstitute angehören, die sich die Förderung dieses neuen Werbemediums in Deutschland zum Ziel gesetzt haben.

Zu einer neuen Gattung von Unternehmen im Spektrum der IKT-Märkte gehört die 1995 gegründete Internet-Agentur WWL Connect Online Services GmbH., Nürnberg. Sie begann mit der Erstellung von Homepages für ihre Kunden sowie als Internet-Provider, d.h. sie spezialisierte sich darauf, anderen den Zugang zum Internet zu verschaffen. Heute liegt das Schwergewicht der Tätigkeit der WWL Connect in der Beratung ihrer 1.500 Privat- und 450 Geschäftskunden bei der Erschließung der vielfältigen geschäftlichen Möglichkeiten rund um das Internet. Das Unternehmen hat 27 fest angestellte Mitarbeiter und neun 630-DM-Beschäftigte für das Telefon-Marketing. Es erreichte im Geschäftsjahr 1998/99 einen Umsatz von 5,2 Millionen DM und schreibt im dritten Geschäftsjahr schwarze Zahlen.

Welche Marktchancen die Online-Werbung bietet, zeigt die Entwicklung in den USA. 1998 erreichten dort die Umsätze in diesem Segment des Werbemarktes 1,8 Milliarden Dollar. Das amerikanische Marktforschungsinstitut Forrester Research rechnet innerhalb Fünf-Jahresfrist, also bis 2003, mit einem Anstieg auf 10,5 Milliarden Dollar. Demgegenüber schätzen die amerikanischen Forscher für Europa im selben Zeitraum ausgehend von der bescheidenen Basis von 105 Millionen Dollar 1998 einen Anstieg auf 2,8 Milliarden Dollar.

Wie stark die Online-Werbung in den Köpfen der Entscheidungsträger in Wirtschaft und Verwaltung aus deutschsprachigen Ländern bereits präsent ist, ohne bisher in nennenswertem Umfang eingesetzt zu werden, zeigt eine Umfrage aus dem Sommer 1998. Danach wird die Online/Internet-Werbung in der Rangfolge der als wichtig/sehr wichtig eingeschätzten Werbemedien nach Broschüren (66 Prozent) bereits an zweiter Stelle (63 Prozent) genannt, gefolgt von Printmedien insgesamt (59 Prozent), Direktmarketing per Brief und Fax (49 Prozent), Telefon-Marketing (44 Prozent), CD-ROM (28 Prozent), Fernsehen (25 Prozent) und Radio (12 Prozent). Bei der prognostizierten Entwicklung in den nächsten drei Jahren bleiben die Positionen von Fernsehen und Radio unverändert, während das Telefon-Marketing (auf 50 Prozent) und die CD-ROM (auf 35 Prozent) nur leichte Verbesserungen ihrer Position erreichen. Demgegenüber nehmen Broschüren, Printmedien insgesamt sowie das Direktmarketing per Brief und Fax (alle auf 44 Prozent) deutlich ab, während allein die Online/Internet-Werbung von ihrem bereits heute erreichten hohen Imagewert von 63 Prozent auf einsame 80 Prozent weiter ansteigt.

Bei dieser Einschätzung spielen sicher auch Erfahrungsberichte aus den USA eine Rolle, nach denen sich Online-Werbung vor allem dadurch auszeichnet, daß es einen klassischen Mangel herkömmlicher Werbung, die erheblichen Streuverluste, durch die spezifische Eigenschaft der Interaktivität in der Kundenansprache weitgehend beseitigt. Die hohen "Einschaltquoten" in die Portale genannten Einstiegsseiten der Online-Dienste und Internet-Suchmaschinen wie Yahoo, Infoseek, Altavista, Lycos sowie Snap! machen diese zu "goldenen Toren" für kontinuierliche Einnahmen aus der Banner- und Button-Werbung. Man kann diesen Vorgang mit der Einnahmeträchtigkeit von Bandenwerbung in den Fußballstadien der Championsleague-Wettbewerber vergleichen. So hat z.B. der Online-Buchversandhandel Amazon.com für ein Werbebanner auf der Yahoo-Startseite im Jahr 1998 für drei Monate 19 Millionen Dollar gezahlt. Mit seiner Startseite macht das weltweit führende Softwareunternehmen Microsoft nicht nur eine lukrative Eigenwerbung für seine Internet-Suchmaschine MSN Web Search. Es erzielte im Jahr 1998 gleichzeitig Einnahmen in Höhe von 60 Millionen Dollar allein aus der Werbebanner-Vermietung auf diesem Portal an seine wichtigsten Suchdienst-Konkurrenten.

Das Geschehen in der Kommunikationsbranche wird von den Werbe- und PR-Agenturen bestimmt. In ihnen finden sich Ökonomen, Künstler und Handwerker zusammen, um die Werbebotschaften zu entwickeln, sie gestalterisch umzusetzen und für die auftraggebende Wirtschaft neue Märkte zu erschließen. Während dem Gesamtverband Werbeagenturen in Deutschland (GWA) 155 Werbefirmen mit Honorar- und Provisionseinnahmen von drei Milliarden DM und einem betreuten Werbevolumen (sog. Equivalent Billings) von 18 Milliarden DM angehören, sind in der deutschen Gesellschaft für Public Relations (DPRG) 120 PR-Agenturen mit einem Gesamtumsatz von 1,4 Milliarden DM zusammengeschlossen. Die drei größten deutschen Werbeagenturen BBDO, Grey und Publicis-FCB bringen es auf Equivalent Billings von jeweils über einer Milliarde DM.

Der Unterschied zwischen Werbung und Public Relations bzw. Öffentlichkeitsarbeit liegt sowohl im Objekt als auch in der Methode der werbenden Tätigkeit. Objekt der Werbung ist das Produkt bzw. die Dienstleistung mit der Absicht, auf diese Weise eine direkte Umsatzsteigerung zu erreichen. Ziel der Öffentlichkeitsarbeit ist demgegenüber die Erhöhung des Bekanntheitsgrades und die Verbesserung des Images des Unternehmens oder des Unternehmensnamens, der "Marke". Während bei der Produktwerbung hohe finanzielle Mittel für den Kauf von Anzeigenraum und Werbezeiten aufgewendet werden müssen, um den Werbeerfolg sicherzustellen, schlägt sich der PR-Erfolg statt in der Höhe des PR-Budgets in der Geschicklichkeit der Öffentlichkeitsarbeit nieder, dem Unternehmen oder der Institution im redaktionellen Teil der Medien ein möglichst hohes und zugleich positives Profil zu sichern.

Der deutsche Kommunikationsmarkt bietet rund 350.000 Menschen Beschäftigung. Sie sind entweder in den Werbeagenturen, in den werbetreibenden Firmen, in den Medienunternehmen oder in den Werbemittel produzierenden Zulieferbetrieben tätig. Sämtliche Segmente der Werbewirtschaft sind wie die Volkswirtschaft insgesamt erheblichen Umbrüchen ausgesetzt. Diese haben wie dort ihre wichtigste Ursache in zunehmender Nutzung und fortschreitender Einsatztiefe der Informations- und Kommunikationstechnologien. Im Unterschied zum einschneidenden Beschäftigungsabbau als Folge des IT-Einsatzes in der industriellen Produktion hat die zunehmende kombinierte IT- und TK-Nutzung in weiten Teilen der Dienstleistungswirtschaft, also auch in der Kommunikationsbranche, auf Dauer eher gegenteilige Auswirkungen. Wie das Beispiel der Online-Werbung zeigt, entstehen unter dem Einfluß der IuK-Technologie gerade auch hier bisher unbekannte Tätigkeitsfelder mit neuen Berufsbildern. Der Grund dafür liegt darin, daß die Kommunikationsbranche im Verein mit der Medienwirtschaft, dem Bildungssektor, der Kulturökonomie sowie der Forschung zu den avantgardistischen Wertschöpfungsbereichen der Informationsgesellschaft gehören. Die Unmittelbarkeit der Verarbeitung des Wissensrohstoffs und die hohe Affinität zwischen Leistungsprozeß und IKT-Einsatz kommen hier wie nirgendwo sonst zum Tragen.

Ob bei der Konzeption der Werbebotschaften, bei der Herstellung der Werbemittel oder beim Design der Produkte, überall wird die Kreativität der hier tätigen Menschen durch den Einsatz der Neuen Medien vervielfältigt. Allein dadurch werden neue Bedarfsentwicklungen angestoßen und es entstehen neue Märkte mit Arbeitsplätzen neuer Art, die es vorher nicht gab. War die computergestützte Ausbildung von Grafikern und Designern in Deutschland vor zehn Jahren noch so gut wie unbekannt, gehört sie heute zum Standard. Das gesamte Spektrum der Tätigkeitsfelder der Kommunikationsbranche steht nach Aussagen des Präsidenten des Gesamtverbandes Werbeagenturen, Lothar S. Leonhard, in der bisher bekannten Form zur Disposition. Es ist zwar kaum absehbar, in welcher Weise sich die Produktionsstrukturen der vornehmlich wissensverarbeitenden Branchen im Detail entwickeln werden. Sicher aber dürfte sein, daß sie angesichts der hier aufeinandertreffenden Dichte von Kreativität und HighTech zu den Wachstumsmärkten der Zukunft gehören werden.

So wie gestaltungstalentierte Informatiker werden informatikbegeisterte Designer und kreative Softwarespezialisten zur Entwicklung neuer Kommunikationsformen beitragen und damit die Leistungsvielfalt nachindustrieller Wirtschaft vorantreiben. Der Engpaßfaktor dieser Entwicklung dürfte das Ausbildungsangebot der Akademien und Fachhochschulen für Kommunikation und Medien sein. Je zügiger und flächendeckender es gelingt, IKT-erfahrenes Lehrpersonal für diese Ausbildungsziele zum Einsatz zu bringen, desto erfolgreicher können die in der Kommunikationsbranche angelegten Entwicklungschancen genutzt werden. Zu welchen praktischen Ergebnissen dies für die Erschließung neuer Tätigkeitsfelder und zukunftsweisender Beschäftigungsmöglichkeiten führen kann, zeigt das Beispiel politischer Förderung von Design-Agenturen in Großbritannien.

Die FAZ berichtete am 31. August 1998 über die Initiative, die der britische Premierminister Tony Blair nach seiner Amtsübernahme im Mai 1997 ergriff, um sein Land in den zukunftsträchtigen Märkten der Wissensverarbeitung in eine "Pool Position" zu bringen. Aus seiner Einladung an hundert führende Industrie-Designer ist unter dem Motto "Cool Britannia" ein nationales Projekt kombinierten Standort-Marketings und Vermarktung HighTech basierter Dienstleistungen der Kommunikationsbranche erwachsen. Ein spektakuläres Projekt, das nationales Standortmarketing mit modernem Produktdesign verband, war das 1997 von der Agentur Interbrand Newell & Sorrell entworfene Außenflächen-Design der Flugzeuge der British Airways Flotte. Inzwischen umfaßt der Wirtschaftszweig der Design-Agenturen 120 Unternehmen, bei denen neben der Inlandskundschaft das internationale Geschäft überwiegt. Die zehn führenden Agenturen erreichten 1997 Umsätze zwischen 30 und 150 Millionen DM und die Zuwachsraten liegen im zweistelligen Bereich. Die Branche gliedert sich in die sieben Teilsegmente Produktdesign, Verpackungsgestaltung, Corporate Identity, Corporate Literature, Interior Design, Messe- und Ausstellungsdesign sowie Internet-Design.

Wegen der Homogenität der in Massenproduktion gefertigten Industrieerzeugnisse können die für den Markterfolg erforderlichen Markenprofile neben der herkömmlichen Werbung noch besser über das Produktdesign geschaffen werden. Der Erfolg der britischen Design-Agenturen beruht nicht zuletzt darin, die Idee auch auf Dienstleistungen und den Service von öffentlichen Verwaltungen anzuwenden. Von der Erfahrung ausgehend, daß sich der Bürger als Kunde des Politikbetriebes besser behandelt fühlt, wenn er politische Entscheidungen als Angebote zur Lösung seiner Alltagsprobleme vermittelt bekommt, hat die politische Führung Großbritanniens ihrem Regierungsapparat und ihrer Verwaltung ein bürgernahes Design gegeben.

Mit der Initiative der britischen Regierung, der Design-Branche eine wirtschaftsbelebende Rolle zuzuweisen, verbindet sich kein Anspruch, eine neue Art wirtschaftlicher Wertschöpfung entdeckt zu haben. Denn die Geschichte des Industriedesigns ist mit der Geschichte technischer Errungenschaften und ihrer Umsetzung in industrielle Produkte in allen Industrieländern aufs engste verbunden. Neu ist vielmehr die Idee, daß sich die Wirtschaft zukünftige Wachstumsspielräume durch zunehmende Verarbeitung der immateriellen Ressource Wissen zusätzlich zur Verarbeitung materieller Rohstoffe zu erschließen vermag. Bei genauem Hinsehen findet in ihr die postmoderne Botschaft für die Entwicklung der Informationsgesellschaft Ausdruck, die da lautet: Je mehr der relative Geist- und Wissensanteil am Sozialprodukt wächst und der relative Anteil materieller Ressourcenverarbeitung sinkt, desto mehr löst sich wirtschaftliche Wohlstandsmehrung von den Grenzen materieller Ressourcenverfügbarkeit und ökologischer Belastbarkeit und desto großzügiger und zugleich humanitärer gestalten sich die menschlichen Beschäftigungsverhältnisse.

Peter Schmidt, der als einer der führenden deutschen Marken-Designer mit seinen Studios beispielhaft für diese mehrwertschaffende Wissensarbeit steht, findet es faszinierend, "den Markennamen eines Produktes so aufzuladen, daß man ihn in eine Jacke nähen kann, die sich dann um hundert Mark teurer verkaufen läßt." Dabei versteht sich von selbst, daß es sich beim Anbringen des Labels am Produkt bzw. bei seiner Verpackung nur um einen symbolischen Ausdruck der vielfältigen geistigen Leistungsbeiträge handelt, die den Umwandlungsprozeß materieller Rohstoffe bei der Produkterstellung ergänzen. Diese mit der Produktmarke verbundene Mehrwertfunktion, wie hier am Beispiel eines Modeerzeugnisses demonstriert, gilt selbstverständlich für die bunte Welt der Markenartikel schlechthin, seien es Möbel, Uhren, Pharmazeutika, Nahrungsmittel, Werkzeuge, Autos oder auch Dienstleistungen.

Daß es sich bei dem mit Hilfe des Industriedesigns geschaffenen Markenbegriff um einen beträchtlichen, vom Markt honorierten Wert handelt, kann man am Phänomen der sog. "Marken-Piraterie" ablesen. Dabei geht es um die Herstellung und Vermarktung gefälschter Markenprodukte, mit deren Umsatz allein in Deutschland den legitimen Markenfirmen jährlich über fünfzig Milliarden DM verlorengehen, was dem Verlust von 70.000 Arbeitsplätzen entspricht. Der Kundennutzen des Markenprodukts, um den die Käufer gefälschter Ware betrogen werden, ist letztlich ein "für diese und keine andere Marke" geltendes Qualitätsversprechen, hinter dem die gesamte Belegschaft des Herstellers mit all ihrem technischen Können und ihren geistigen Fähigkeiten steht, um das eigene Markenprodukt gegenüber der Konkurrenzware zu profilieren. Dieses besondere Etwas ist es, das mit Markentreue vom Kunden honoriert wird und damit seinen Markterfolg ausmacht. Erst dadurch werden dauerhaft Arbeitsplätze und Einkommen für diejenigen gesichert, die an der Erstellung des Produkts beteiligt sind.

Wie beim Designer gehen auch in anderen Arbeitsfeldern der Kommunikationsbranche die auf den Absatzerfolg zielende Werbefunktion und die auf die Marken- und Imagepflege gerichtete PR-Funktion ineinander über. Dazu gehört auch das Messe- und Ausstellungswesen. Die Messe als Treffpunkt von Warenangebot und Kaufinteresse hat im Laufe ihrer langen Geschichte einen erheblichen Funktionswandel erlebt. Günter Bentele hat am Beispiel der Leipziger Messe beschrieben, wie sie sich von einer Waren- über eine Mustermesse zur heutigen Kommunikationsbörse entwickelt hat. Ging es ursprünglich um das Verkaufen der am Markt feilgebotenen Ware, wie dies noch heute auf den Wochenmärkten für Waren des täglichen Bedarfs geschieht, wandelte sich der Messeplatz mit dem Aufkommen industrieller Erzeugnisse und des immer vielfältigeren, komplizierteren und transportkostenträchtigeren Warenangebots zur Mustermesse, bei der die Ware nach Begutachtung anhand der ausgestellten Muster zur späteren Lieferung geordert wird. Das doppelte "M" des Leipziger Messesignets symbolisiert diese Funktionsart von Messe seit nahezu einem Jahrhundert.

Die Messe heutigen Zuschnitts hat sich noch einen Schritt weiter vom realen Warenbezug gelöst. Es sind nicht mehr allein die ausgestellten Industrieerzeugnisse, die das Interesse der Messebesucher finden. Auch bei den Ausstellern haben neben der Marketingorientierung zunehmend auch rein kommunikative Motive bei der Messebeschickung die Oberhand, wie Imagepflege, Austausch von Informationen, Wettbewerbsbeobachtung und Trenderkennung. Den Messegesellschaften und ausstellenden Industriezweigen geht es neben der Präsentation technischer Neuheiten auch um deren Einbettung in gesellschaftliche Entwicklungen und kulturelle Trends.

Auf diese Weise sind neben der Ausstellung Spielräume für kulturelle und wissenschaftliche Veranstaltungen, für Angebote der Gastronomie, Medienwirtschaft und Unterhaltungsbranche geöffnet worden. So sind "Messen heute fast nur noch reine Kommunikationsevents", die ein erhebliches Wertschöpfungspotential für messeunabhängige Dienstleistungen in sich bergen. Die Messe ist damit von einem Handelsplatz für materielle Güter zu einem Ort des Austausches immaterieller Leistungen, zu einem Umschlagsplatz von Wissen geworden.

Von daher dürfte die Prognose nicht allzu gewagt sein, im Messe- und Ausstellungswesen ein zukunftsträchtiges Marktsegment der Kommunikatinsbranche zu sehen. Denn die Wissens- und Informationsgesellschaft als gesellschaftsumgreifende Veranstaltung wird ihre produktiven Stätten sicher nicht allein in Kultur- und Bildungseinrichtungen oder am heimischen PC sondern gerade auch an Orten haben, an denen sich zur Gewährleistung eines dauerhaften Massenzustroms die Angebote aus Kultur, Bildung und Wissenschaft, Unterhaltung und Sport zu einer Gesamtattraktivität verdichten. Von daher ist voraussehbar, daß neben der Kommunikationsbranche und der Medienwirtschaft zunehmend auch die FEST-Märkte (Freizeit, Entertainment, Sport und Tourismus) sowie die "Kuwi"-Angebote (Kultur und Wissenschaft) das Messe- und Ausstellungswesen mit Beschlag belegen und daß daraus wirtschaftliche Wertschöpfung, Einkommen und Beschäftigung neuer Art erwachsen werden.

Eine derartige Entwicklung würde an ein handelsübergreifendes Messegeschehen anknüpfen, für das gerade auch die Geschichte der Leipziger Messe reiche Belege bietet. Seit Mitte des 15. Jahrhunderts ist die Durchdringung der Handelsmesse mit Schaustellerei, mit dem Auftreten von Gauklern, Akrobaten, Schauspielern und Musikanten überliefert. Aus der jüngeren Zeit ist die Einbeziehung kultureller Attraktivitäten wie Gewandhausorchester, Leipziger Ballett und Thomanerchor zu nennen. Die Durchführung des 23. Deutschen Evangelischen Kirchentages 1997 in der Neuen Messe in Leipzig gibt einen weiteren Hinweis, wie Messe und Ausstellungsplätze in zugleich kultur- wie wirtschaftsfördernder Weise im Geiste der aufbrechenden Wissens- und Informationsgesellschaft benutzt werden können. Daß die deutschen Messen trotz dieser zukunftsweisenden Möglichkeiten gegenwärtig mit wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen haben, hat sicher einen Grund darin, daß das öffentliche Bewußtsein für die Akzeptanz der neuartigen Dienstleistungsangebote der Wissensgesellschaft noch zu wenig ausgeprägt ist. Statt überwiegend Industrieprodukte einzukaufen, auch zunehmende Teile des verfügbaren Einkommens für geistige Leistungen der "weißen Wirtschaft" auszugeben, bedarf nun einmal eines Trendumschwungs in den Konsumgewohnheiten, der nicht "über Nacht" zu haben ist. Zur zügigeren Erschließung dieser Wachstumsmöglichkeiten der Informationsgesellschaft sind aber auch innovative Konzeptionen der Anbieter dieser Dienstleistungen vonnöten. Das gilt für die Leitung der Leipziger Messegesellschaft genauso wie für das Management der Expo 2000 in Hannover. Der geringe Zuspruch seitens der Wirtschaft und das erwartete finanzielle Defizit im Budget der von Juni bis Oktober 2000 in Deutschland stattfindenden Weltausstellung sind sicher ganz wesentlich auf Fehlbesetzungen im Management sowie auf Konzeptionsmängel zurückzuführen.

Die Chance, den Einstieg in das 21. Jahrhundert mit einem visionären Entwurf über die zukunftsträchtigen Möglichkeiten der modernen Informationsgesellschaft zu gestalten und dies zu einem nationalen Gemeinschaftsprojekt unter Mitwirkung aller gesellschaftlichen Gruppen zu machen, ist bei der Planung der Expo 2000 vertan worden. Dies mag auch Ausdruck dessen sein, daß das Bewußtsein einer Zeitenwende des Übergangs in die Informationsgesellschaft mit all seinen neuen Möglichkeiten des Wirtschaftens und Arbeitens unter den Entscheidungsträgern in Politik und Gesellschaft hierzulande noch wenig ausgeprägt ist. Da die staatlichen und kommunalen Haushalte über Steuereinnahmen in geschätzter Höhe von vier Milliarden DM an dieser fünfmonatigen Großveranstaltung profitieren werden, ist die eher halbherzige Unterstützung dieses nationalen Prestigeprojektes seitens der koordinierenden staatlichen Stellen umso weniger verständlich.

Dennoch steht zu erwarten, daß auch bei Fehlen eines motivierenden Führungskonzepts kraft eigendynamischer Prozesse vielfältige Präsentationen eines zeitgenössischen deutschen Leistungsspektrums aus Technik, Wissenschaft, Kultur und Architektur für das Expo-Projekt auf den Weg gebracht werden. Ökonomisch betrachtet handelt es sich bei der Expo 2000 um eine Kombination aus Dienstleistungsexport, binnenwirtschaftlichem Wachstumsimpuls und regionalen Investitionseffekten in Zusammenhang mit den für die Weltausstellung errichteten Bauwerken und Einrichtungen, die zu dauerhaften infrastrukturellen Verbesserungen für die Region führen werden.

Bei erwarteten 40 Millionen Ausstellungsbesuchern aus aller Welt ist das Expo-Budget auf rund 2,8 Milliarden DM ausgelegt. Es soll bis zu 1,6 Milliarden DM mit dem Erlös aus Eintrittstickets, mit einer Milliarde DM aus Sponsorbeiträgen und Lizenzeinnahmen sowie mit 200 Millionen DM aus sonstigen Erträgen gedeckt werden. Die investiven Ausgaben der Aussteller und die Ausgaben der Messebesucher während ihres Aufenthalts in Deutschland werden ein Vielfaches des offiziellen Expo-Budgets ausmachen. Der Expo-Aufsichtsratschef Helmut Werner rechnet damit, daß die Ausstellung einen Gesamtumsatz von 18 Milliarden DM auslösen wird.

Alles in allem stellt die Expo 2000 damit eine Wertschöpfung volkswirtschaftlicher Dimension dar, die sich während des Expo-Jahres in Einkommen und Beschäftigung für rund 100.000 Menschen niederschlagen wird. So vermittelt die Weltausstellung bei allen Mängeln der Konzeption und des Managements einen Eindruck von den Möglichkeiten neuer Formen des Wirtschaftens, bei denen es neben der Produktion materieller Güter um das Erbringen geistiger Leistungen geht. In Berlin ist in diesem Sinne die Idee zur Veranstaltung einer "permanenten Expo" aufgekommen. Im Rahmen des Investorenwettbewerbs "Berliner Schloßplatz" hat die Unternehmensgruppe Roland Ernst das Konzept für ein Ausstellungszentrum entwickelt, in dem ein internationales Publikum, Großunternehmen des In- und Auslandes sowie internationale Organisationen aus Politik, Wissenschaft und Kultur zu dauerhafter kreativer Mitwirkung an der Projektarbeit entweder in direktem Kontakt oder auf elektronischem Wege per Internet eingeladen werden sollen.

aus: "Kein Mangel an Arbeit - Eine Chance für den Standort D", München 1999, S. 179ff.