Betriebswirtschaft und Wissensverarbeitung

Kapitel 10 aus: Kein Mangel an Arbeit - Eine Chance für den Standort D

Wolfgang Müller-Michaelis

Angesichts des zeitlichen Vorsprungs US-amerikanischer Elektronik- und Telekommunikationskonzerne bei der Entwicklung und Nutzung der IuK-Technologien profitieren bei der Umrüstung auf moderne Produktionsverfahren und Geschäftsabläufe jene Volkswirtschaften am meisten, die eine hohe Niederlassungsdichte amerikanischer Tochtergesellschaften aufweisen. Auf diese Weise ist auch die deutsche Industrie in einen Umstellungssog geraten, da sich die Wettbewerbsvorteile IKT-ausgestatteter Unternehmen für die Konkurrenten spürbar am Markt niederschlagen. Aber nicht nur für Industrieunternehmen, auch für weite Teile der Dienstleistungswirtschaft gilt, daß eine angemessene Ausstattung mit kombinierten IT- und TK-Systemen zu einer conditio sine qua non geworden ist, wenn die Position am Markt gehalten, die Ertragskraft gestärkt und die Beschäftigung gesichert werden soll.

Zu den seit längerem in Deutschland tätigen US-Elektronikunternehmen gehört Hewlett Packard (HP). Der zu den Größten seiner Branche zählende Computerkonzern führt seine Geschäfte in Deutschland von Stuttgart aus. Geschäftsführer Jörg Menno Harms stellte die Strategie seiner Firma auf der CeBIT in Hannover unter das Motto, zu den Vorreitern bei der Umstellung der deutschen Wirtschaft auf den elektronischen Geschäftsverkehr zu gehören. Darunter versteht man bei Hewlett Packard nicht nur den elektronischen Handel über das Internet, sondern auch die Abwicklung des Zahlungsverkehrs und übriger Finanztransaktionen sowie die elektronische Kommunikation mit Kunden, Zulieferern und Behörden einschließlich des Aufbaus betriebsinterner Intranets, um die Unternehmen mit all ihren Funktionsbereichen für diese neue Wirtschaftsform kommunikationstechnisch überhaupt erst zu befähigen.

Ziel sei es, im Rahmen eines Supply Chain Management die Wertschöpfungsketten der einzelnen Unternehmen Schritt für Schritt in eine integrierte IKT-Architektur zu überführen und sie mit den Wertschöpfungsketten der mit ihnen zusammenarbeitenden Unternehmen zu vernetzen. Der elektronische Geschäftsverkehr sei das technische Vehikel unserer Zeit, aus dessen sich ausbreitender Nutzung Schritt für Schritt die Global Network Economy entstehen werde. Da sich die meisten Elektronik-Konzerne ähnliche Ziele wie Hewlett Packard gesetzt haben, dürfte es im Wettbewerb zu einer schnell wachsenden Ausstattungsdichte kommen. Auch Deutschland wird seine Nachzüglerrolle überwinden, zumal wenn immer mehr Fallbeispiele von kostensparenden Erfolgsgeschichten die Runde machen. Dabei verfolgen im Übergang auf den elektronischen Geschäftsverkehr etliche Blue Chips der deutschen Industrie eine gegenüber dem üblich gewordenen "Outsourcing" von Dienstleistungsfunktionen (wie im Kapitel 5 beschrieben) entgegengesetzte Strategie. Sie integrieren eigene IT-Systemhäuser in den Unternehmensverbund, um im Intimbereich der internen IKT-Architektur nicht von externer Beratung abhängig zu sein. Außerdem arbeiten diese Service-Einheiten verglichen mit Beratungsunternehmen kostengünstiger, wenn sie mit eigener Ertragshoheit ausgestattet ihre Leistungen als Profitcenter auch am freien Markt gegenüber Dritten anbieten. Eine Vorreiterrolle auf diesem Gebiet hatte bereits in den 70er Jahren die Deutsche BP übernommen, als Hellmuth Buddenberg das Systemhaus-Unternehmen SCS zur Betreuung der eigenen IT-Services sowie als Anbieter dieser Leistungen im internationalen Konzernverbund und gegenüber externen Kunden für den Hamburger Ölmulti erwarb. Dieser Methode folgend und um den Geschäftsbereich Financial Services erweitert hat DaimlerChrysler 1990 die DaimlerChrysler Services (debis) AG Berlin gegründet. Nach der Fusion mit Chrysler ist debis unter Führung von Klaus Mangold heute an 150 Standorten in 32 Ländern vertreten und mit einem Welt-Umsatz von 24 Milliarden DM und 24.000 Mitarbeitern in den dynamischen Zukunftsmärkten Finanz- und Informationsdienstleistungen global positioniert.

Demgegenüber gehen Unternehmen ohne internationale Einbindung ihrer Produktions- und Dienstleistungsprozesse mehr und mehr dazu über, für die Betreuung ihrer IT-Services die Unterstützung von Beratungsfirmen in Anspruch zu nehmen. Dies umso mehr, nachdem eine McKinsey-Studie in Zusammenarbeit mit dem Institut für Produktionstechnik der Technischen Universität Darmstadt über die Auswirkungen der Informationstechnologie auf den Unternehmenserfolg ergeben hat, daß die Hälfte der Unternehmen, die sich für teures Geld eine IKT-Ausstattung zugelegt haben, diese nur unzureichend nutzen. Einen rundum sinnvollen Einsatz der neuen technischen Möglichkeiten einschließlich verbesserter Kostenkontrolle attestiert die Studie nur einem Viertel der untersuchten Unternehmen. Dieser Befund bestätigt im wesentlichen Erfahrungen, die man in den USA während der Frühphase des elektronischen Geschäftsverkehrs gewonnen hatte. Nachdem dort von 1960 bis 1990 zweitausend Milliarden Dollar in IT-Hardware mit dem Zweck der Produktivitätssteigrung investiert worden waren, stellte sich am Ende heraus, daß sich an der Produktivität der IT-ausgestatteten Unternehmen kaum etwas geändert hatte.

Das war die Geburtsstunde jenes Zweiges des Beratungsgeschäfts, der sich der Erschließung des "Produktivitätsschatzes" zuwandte, der im kombinierten Einsatz künstlicher Computerintelligenz mit den weithin ungenutzten natürlichen Intelligenzressourcen in den Köpfen der Mitarbeiter verborgen ist. Es stellte sich bald heraus, daß in diesem Geschäft jene Beratungshäuser ideale Helfer waren, die ihr Erfahrungswissen aus der Analyse konventioneller Formen der Unternehmensführung, also bereits zu Zeiten vor Einführung der neuen IKT erworben hatten und die zudem von IT-Systemanbietern unabhängig waren. Denn Ziel dieser neuen Generation von Beratungsleistungen ist es nicht, Ausstattungsempfehlungen für bestimmte marktgängige Hard- oder Software zu geben. Mit zunehmender IT-Penetration hat sich beim Aufspüren "stiller Reserven" von Effizienz und Ertragskraft in den Unternehmen das Schließen der Verständnislücke zwischen Topmanagement und IT-Fachleuten in Sachen optimaler Nutzung dieser Technologie als viel lukrativer erwiesen.

Schaut man sich das Leistungsgeschehen in den unterschiedlichen Unternehmen durch die Brille des betriebswirtschaftlichen Analytikers an, erkennt man, daß immer wieder die gleichen Kräfte am Werk sind, die es auf das Unternehmensziel hin zu bündeln und auszurichten gilt. Es sind die Menschen, es ist das eingesetzte Kapital, es sind die Rohstoffe, Komponenten und Zulieferungen und es ist der technische Apparat, die zu einem funktionierenden Zusammenspiel zu bringen sind. Während diese Aufgabe für alle gleichermaßen besteht, unterscheiden sich erfolgreiche von erfolglosen Unternehmen durch die Art und Weise, wie dieses Zusammenwirken der Kräfte organisiert ist. Das Management der betrieblichen Prozesse, des Personals und der Informationsströme decken dabei die wichtigsten Regelkreise ab, die so erfolgsorientiert wie möglich aufeinander abzustimmen sind.

Das Zeitalter des elektronischen Geschäftsverkehrs hat uns für diese klassische betriebswirtschaftliche Steuerungsaufgabe ideale technische Helfer beschert. Wie jedes leistungsfähige Techniksystem bergen aber auch die IKT das Problem, daß nicht die Technik an sich, sondern erst ihr optimaler Einsatz die angestrebten Ergebnisse hervorbringt. So haben die Strategen in der Top-Etage zwar visionäre Vorstellungen von deren Einsatzmöglichkeiten, aber es mangelt ihnen im allgemeinen an der Technikkompetenz für die Umsetzung in konkrete Anwendungen im Unternehmensalltag. Umgekehrt verfügen die IT-Spezialisten normalerweise nicht über die visionäre Kompetenz, da sie bei ihrem Job nicht in die Strategieplanungs- und Entscheidungsprozesse der Unternehmensführung eingebunden sind. Der Brückenschlag zwischen diesen beiden Funktionsebenen ist daher zu einer kardinalen Aufgabe der elektronisch gesteuerten Betriebswirtschaft geworden. Ihn operational zu bewältigen wird zunehmend zum entscheidenden Erfolgskriterium für das Bestehen im Wettbewerb unter den grundlegend veränderten Bedingungen der aufbrechenden Global Network Economy.

Zu den Beratern, die sich auf diesen Brückenschlag von der Unternehmensführung zu den IT-Experten spezialisiert haben, zählt das Berliner Unternehmen T.I.M. Consulting, das zur US-amerikanischen Unternehmensgruppe Kepner-Tregoe aus Princeton, New Jersey, gehört und dessen deutsches Partnerunternehmen seinen Sitz in Hamburg hat. Kepner-Tregoe ist seit vierzig Jahren am Markt, zu seinen Kunden gehören u.a. AT & T, Harley Davidson, Pepsi Cola, Polaroid, Bosch, Siemens, IBM, Microsoft, Thyssen und BMW.

Nach Quinn Spitzer, dem langjährigen Präsidenten von Kepner-Tregoe ist Schlüssel zum Unternehmenserfolg vorrangig nicht die Intensität der Ausstattung mit moderner Informations- und Kommunikationstechnologie. Vor allem anderen geht es um das Erkennen und Bewußtmachen, daß in herkömmlichen betrieblichen Verfahren ein großer Teil des in den Köpfen der Mitarbeiter gebundenen Wissens brachliegt und gar nicht zum Einsatz gelangt. Daher geht es zunächst einmal darum, diese intellektuellen Kapazitäten der Belegschaft besser zu erschließen und zu mobilisieren sowie ihren Einsatz zur Erreichung der Unternehmensziele erfolgsbezogener zu organisieren. Erst wenn die für diese neue Art der Wissensverarbeitung erforderlichen Verfahren ermittelt, implementiert und erprobt sind, kann die IuK-Technologie ihre unterstützende Hilfe leisten und ihre segensreiche Wirkung entfalten. Die Leute von Kepner-Tregoe haben ihre Grunderkenntnis, daß Unternehmenserfolg letztlich im zielbewußten Wissensmanagement wurzelt, lange vor der Zeit erworben, als man begann, von der Wissensgesellschaft zu sprechen. Sie sind daher unverdächtig, im Einsatz der Informationstechnologie einen Ersatz für eigenständiges Denken zu sehen. Nicht weniger sondern besseres Denken ist gefragt, wenn man sich die dienstbaren IKT-Geister ins Haus holt, um sie den eigenen Zwecken nutzbar zu machen.

Auch die hochgezüchtetste IKT wird die Entscheidungskompetenz des Managements und das fachliche Können der Belegschaft nie zu ersetzen vermögen. Gerade diese gilt es, unabhängig von der Qualität der Informationstechnologie zu entwickeln. Denn die Funktion der IKT kann nur darin liegen, zur Entscheidungsvorbereitung beizutragen. In diesem Bereich vermag sie allerdings hervorragende Dienste zu leisten, wenn sie als die hochsensible Universaltechnik genutzt wird, die sie tatsächlich ist. Insofern ist mit dem Aufspüren neuer ertragbringender Einsatzfelder für IKT in den betrieblichen Abläufen auch immer wieder der Aufbau neuer anspruchsvoller Arbeitsplätze verbunden. Hinzukommt, daß eine gut ausgewählte Controlling-Software, die regelmäßig zuverlässige Informationen über die kostenmäßige Belastbarkeit und Leistungsstärke der Gesamtorganisation und ihrer strategisch wichtigen Teilbereiche vermittelt, das Management eher in die Lage versetzt, abgesicherte (und in der Regel beschäftigungswirksame) Investitionsentscheidungen zu treffen, als wenn derartige Erkenntnisse nicht vorliegen.

Die von vielen als Hauptübel des Informationszeitalters gesehene stetig anschwellende Informationsflut wird nicht durch die IKT selbst sondern erst durch ihren intelligenten Gebrauch beherrschbar. So gehört zum Erfahrungsschatz von Kepner-Tregoe aus der Analyse vieler betriebsinterner Prozesse, daß sich hinter der Klage über den "Data overkill" tatsächlich das doppelte Eingeständnis verbirgt, sowohl über eine unzureichende Softwareausstattung zu verfügen als auch sachfremd mit ihr umzugehen. Der hier oft anzutreffende Fehler des Managements ist, sich selbst als Adressat der Datenflut zu sehen. Wer dies tut, ob im geschäftlichen oder privaten Bereich, hat die Spielregeln der Informationsgesellschaft nicht verstanden. Die von der IT produzierten und von der TK gelieferten Datenströme gehören nicht auf den Schreibtisch des Entscheidungsträgers sondern müssen über die richtigen Schnittstellen kanalisiert in den "Schlund des IKT-Fleischwolfs" zurückgeschleust werden. Das Interesse sollte ausschließlich den leckeren "Erkenntnis-Buletten" gelten, die dabei herauskommen. Voraussetzung für diesen professionellen Umgang mit der Informationstechnologie ist, daß die Maschine stets mit dem richtigen Datenfutter bedient wird und daß das Softwareprogramm den betrieblichen Erfordernissen so "hauteng" wie möglich angepaßt ist.

So konzentrieren erfolgreiche Unternehmen wie Corning oder Harley-Davidson den IT-Einsatz vor allem auf die stetige Verbesserung der Kostensteuerung in ihren Unternehmen. Erst bei dieser Vorgehensweise wird der Erfahrungsschatz voll ausgeschöpft, den Quinn Spitzer vermittelt, wenn er sagt: "Die Software ist das technische Verfahren, das benötigt wird, um Daten so zu präsentieren, daß wir daraus einen Sinn ableiten können. Für den Prozeß der Bedeutungsfindung wird aber nach wie vor das menschliche Denken benötigt". IT und TK machen daher den Menschen im Betrieb nicht überflüssig, sondern sie erschließen im Gegenteil mit ihrem immer weiter ausgreifenden Einsatz stets neue Möglichkeiten der Beschäftigung.

Zur Optimierung der betrieblichen Wissensverarbeitung hat Kepner-Tregoe eine Management-Strategie entwickelt, die in Anlehnung an die TQM-Idee "Total Information Management" (T.I.M.) genannt wird. Nach Peter Schroeder, dem Geschäftsführer von Kepner-Tregoe Deutschland, soll sie vor allem auch Unternehmen, die keinen Zugang zu internationalem Konzern-Know How haben, bei der Bewältigung der vielfältigen Anpassungsprobleme in der Global Network Economy helfen. Hat die Kepner-Tregoe (KT)-Methode zum Ziel, die traditionell gewachsenen Leistungsprozesse im Unternehmen in ein modernes Wissensmanagement zu überführen und dabei zugleich die Problemlösungsfähigkeit der Mitarbeiter und die Entscheidungskompetenz des Managements zu verbessern, baut das Total Information Management auf diesem Verfahren auf. Die unternehmensindividuell vorhandenen IuK-Technologien werden zur Verbesserung ihrer betriebswirtschaftlichen Steuerungsfunktion auf eine Weise mit Modulen ergänzt, daß sie einen maßgeschneiderten elektronischen Geschäftsverkehr erlauben. Der spezifische Mehrwert der T.I.M.-Methode besteht darin, im Übergang auf die wissensverarbeitende Betriebswirtschaft die bereits beschriebene klassische Verständnislücke zwischen den visionären Strategen in der Geschäftsführung und den praxiserprobten Informationstechnikern "vor Ort" zu schließen. T.I.M. will bei der betrieblichen Einübung in das E-Business assistieren, indem es die neuen Kommunikationslinien transparent macht. Es will das Bewußtsein dafür wecken, daß IT und TK nicht nur neue Bedingungen wirtschaftlichen Handelns schaffen, sondern daß sie selbst auch die adäquaten Mittel bereitstellen, mit den sich daraus ergebenen Herausforderungen fertigzuwerden.

In den meisten Fällen verfügen Unternehmen heutzutage über eine Grundausstattung in den IT-bezogenen Teilbereichen der IuK-Architektur. Ob in der Produktentwicklung, in der Produktion, im Vertrieb, im Rechnungswesen oder in der Verwaltung, fast überall sind computergestützte, datenverarbeitende und prozeßsteuernde Systeme im Einsatz. Was meistens fehlt, sind komplementäre TK-Systeme zur Integration sämtlicher betrieblicher Prozesse zu einem kommunikativen unternehmensinternen Verbund einerseits sowie zur Vernetzung der betriebsinternen Kommunikation mit korrespondierenden externen Systemen, seien es Dienstleister, Zulieferer, Kunden oder Behörden über das Universalmedium Internet.

Die Installation derartiger Intranet- und Extranet-Anwendungen ist in Großunternehmen bereits weit vorangeschritten. Es handelt sich dabei um abgegrenzte und datengeschützte Vernetzungen der eigenen Datenbestände mit ausgewählten und festgelegten Kommunikationspartnern, seien es die eigenen Mitarbeiter oder die diversen Kategorien geschäftlicher Verbindungen. Um einen Eindruck von der Leistungsfähigkeit dieses neuen Kommunikationsmediums zu vermitteln, sei auf das Beispiel des Computerkonzerns Hewlett Packard verwiesen. Das in diesem Unternehmen bereits seit Jahren installierte Intranet verbindet vierhundert Standorte in dreißig Ländern mit mehr als hunderttausend regelmäßigen Nutzern. Pro Tag werden über dieses Netz 1,5 Millionen eMails und ein Datenvolumen von sieben Terabyte übertragen.

Marktforschungsuntersuchungen haben ergeben, daß drei Viertel der Intranets und Extranets betreibenden Unternehmen einen deutlich schnelleren Zugriff auf die für sie relevanten Informationen erreichen, während ein Drittel sowohl die verbesserte interne Zusammenarbeit als auch eine Reduzierung der Betriebskosten hervorheben. Zwanzig Prozent der befragten Unternehmen geben an, mit dieser neuartigen elektronischen Organisationshilfe eine bessere strategische Ausrichtung ihres Geschäfts zu erreichen. Diese vielfältigen betrieblichen Effizienzsteigerungen, die aus der Summe einzelner Kostenvorteile resultieren, können sich mit entsprechender IKT-Ausstattung und angepaßter Organisation auch mittelständische Unternehmen zunutze machen.

Bei DaimlerChrysler heißt die strategische Aufgabe, die IuK-Ausstattung so eng wie möglich mit den unternehmensspezifischen Anforderungen in Einklang zu bringen und die optimale Zuordnung von Hardware, Software, Netzwerken sowie Daten-, Informations- und Wissensressourcen zu finden, den "genetischen Code" des Unternehmens freizulegen. Er "stimmt" erst dann, wenn alle wichtigen betrieblichen Funktionen mit ihren jeweiligen Prozeßanforderungen in die IT-Konfiguration integriert sind und die Vernetzung mit den Systemen der kooperierenden Marktteilnehmer, wie Partner, Zulieferer und Kunden, zuverlässig erfolgt ist. Erst dann können IT und TK ihre für den Unternehmenserfolg unverzichtbare "enabler"-Funktion erfüllen: die angestrebte Geschäftsausweitung zu realisieren, die Kooperationsfähigkeit mit den relevanten Geschäftspartnern sicherzustellen, die Marktchancen in erweiterten Märkten wahrzunehmen und in der Summe die in der Vernetzung liegenden Ressourcen zur Optimierung des Geschäftserfolgs auszuschöpfen.

Je näher das Unternehmen dem Ziel der optimierten IuK-Ausstattung kommt, desto wirksamer kann das Total Information Management durch Anpassungen der Unternehmenspolitik stille Reserven zur Ergebnisverbesserung mobilisieren. Dabei müssen alle betrieblichen Funktionen auf den Prüfstand: von Unternehmensführung, Organisation, Rechnungswesen, Personalwesen und Verwaltung über Produktion, Beschaffung, Vertrieb und Marketing bis hin zu Finanzierung, F+E und Öffentlichkeitsarbeit. Das Ergebnis dieser E-Business-Ausstattung ist in der Regel, daß die gesamte Klaviatur praxisbewährter "online"-Dienste im betrieblichen Alltag zum Einsatz kommt. Dazu gehört die elektronische Mitarbeiter-Information ebenso wie das e-Mailing innerhalb des Betriebes sowie mit sämtlichen Korrespondenzgruppen außerhalb der Unternehmensgrenzen, der unternehmensweite interaktive Kalender zur zeit- und kostensparenden Terminplanung, die elektronische Abwicklung früher zeitraubender Routinevorgänge wie Urlaubsanträge oder Spesenabrechnungen, das "online"-geführte Bestellwesen, der Aufbau betrieblicher Datenbanken für die Vorhaltung von Produktspezifikationen der gesamten Produktpalette, zum Abruf von Lieferzeiten und übriger Lieferkonditionen sowie zur Steuerung der Preispolitik, wobei die traditionell bereits durchgeführte EDV-Abwicklung des innerbetrieblichen Rechnungswesens und des Zahlungsverkehrs mit der gesamten Außenwelt nur der Vollständigkeit halber erwähnt wird.

Die Überführung aller dieser Funktionen auf das integrierte elektronische Kommunikationssystem ist kein Vorgang, der isoliert von Betriebsorganisation und Unternehmensführung zu bewältigen wäre. Beide Regelwerke des betrieblichen Geschehens erfordern grundlegende Veränderungen und Anpassungen, die in Bezug auf Zusammenarbeit von Führung und Belegschaft zu den eigentlichen Umwälzungen gehören, die mit dem Einsatz der neuen Technik verbunden sind. Denn die zunehmende Transparenz sowohl der innerbetrieblichen Abläufe wie der Marktprozesse und des Wettbewerbsverhaltens, die sich aus der Vernetzung im Innern wie nach außen ergeben, haben zwei unmittelbare Auswirkungen auf das Management: Zum einen wächst der Entscheidungsdruck und zum anderen verkürzen sich die Entscheidungswege. Diesen veränderten Anforderungen ist nur durch größere Partizipation der Mitarbeiter an den Entscheidungsprozessen gerecht zu werden. Es leuchtet ein, daß tradierte Führungsstile in einer derart veränderten Entscheidungslandschaft nicht mehr greifen und daß netzwerkgemäße Kooperationsformen an ihre Stelle treten müssen. So erfordert das als "knighboring" bezeichnete Ineinandergreifen der Führungsebenen, daß die in traditionellen Unternehmenshierarchien in Untergebene ("knights") und Chefs ("barons") aufgeteilten Rollen zunehmend stärker in der Doppelidentität des "knighbor" aufgehen. Dieser wird den Herausforderungen des elektronischen Geschäftsverkehrs umso besser gerecht, je kooperativer er sich gegenüber "benachbarten" Arbeitsgebieten bzw. Mitarbeitern verhält.

Schließlich gibt es Einschnitte, die über die Unternehmensgrenzen hinaus in das gesellschaftliche Umfeld reichen, wie die "Entörtlichung" vieler betrieblicher Produktions- und Leistungsprozesse, die zu dezentraler Telearbeit fernab der angestammten Betriebsstätten führen. Nach konservativen Schätzungen werden in Deutschland im Jahr 2000 mindestens eine Million Beschäftigte an ausgelagerten Tele-Arbeitsplätzen ihrer Berufstätigkeit nachgehen, was 2,5 Prozent aller Beschäftigten entspricht. Ein derart aus herkömmlichen Strukturen ausbrechender Betriebsalltag kann nur durch einen organisatorischen Ansatz zu produktiver Leistung gebündelt werden, der gänzlich veränderten Anforderungen an das Kommunikationsverhalten, an Disziplin, Wendigkeit, flexibles Anpassungs- und Reaktionsvermögen genügt. Ein traditionell lokal-konzentrierter, vertikal-orientierter und hierarchisch-strukturierter Organisationsaufbau kann das nicht leisten. Statt dessen ist eine dezentrale Profitcenter-Struktur mit horizontaler Einebnung der Führungsstufen in Richtung eines Netzwerks gefordert. Die in den Mitarbeitern ruhenden Leistungskräfte, Talente und Kreativitätspotentiale können nur in einem solchen offenen, kommunikativen und die Eigeninitiative fördernden Umfeld zur vollen Entfaltung kommen. Der Betrieb muß insgesamt veränderungsfreundlich organisiert sein, um den stetig dynamischer werdenden Marktanforderungen gerecht zu werden. Die zeitlich befristete Einsetzung interdisziplinärer Arbeitsgruppen wird gegenüber der starren Struktur von Stabs- und Linienfunktionen eine immer größere Rolle spielen. Auch die Innenarchitektur sollte der Offenheit, Transparenz und Durchgängigkeit des "kommunikativen Büros" Rechnung tragen und zur Schaffung einer kreativen und austauschfreundlichen Arbeitsatmosphäre beitragen. In der Konsequenz wird sich in einem T.I.M.-orientierten Unternehmen die organisatorische Führungsstruktur eher in Richtung eines Netzwerks entwickeln als dem althergebrachten Pyramidenaufbau verhaftet zu bleiben.

Worin liegt der eigentliche technische und wirtschaftliche Fortschritt des kombinierten Einsatzes von IT und TK, der eine unvergleichlich höhere Effizienz des Wirtschaftens gegenüber traditionellen Wirtschaftsformen bewirkt? Es ist die Interaktivität, mit deren Hilfe jede Leistung, die medial übertragbar ist, sei es in Form von Texten, Grafiken, Bildern, Tönen oder Daten, von sämtlichen am Leistungsprozeß Beteiligten einschließlich des Kunden dialogisch behandelt werden kann. Diese Eigenschaft der neuen Technik ist bei zunehmender Markt- und Kundenorientierung im Zuge der Globalisierung der Märkte für die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit von existenzieller Bedeutung. Hier ist die Interaktivität das denkbar beste Mittel, um eine bessere Zielgruppen-Selektierung sowie eine festere Kundenbindung zu erreichen. Sie wird allerdings mit intimer Einflußnahme des Kunden auf Produktentwicklung und Service erkauft. Das schafft ein völlig verändertes Verhältnis zwischen Produzenten und Kunden, bei dem das T.I.M. helfen kann, aus den Erfahrungen von Großunternehmen mit dem "product on demand"-Management den Einsatz eigener Ressourcen zu optimieren.

Im Grunde kehrt die neue Technik die tradierte Verkehrsrichtung der Unternehmen-Kunden-Beziehung um, indem statt des allein gestaltenden Unternehmens nunmehr der Kunde eine mitgestaltende Rolle bei der von ihm nachgefragten Leistung übernimmt. Die neue Technik erlaubt es ihm, mit seinen Wünschen so lange auf den Produktions- und Leistungsprozeß Einfluß zu nehmen, bis die Anforderungen zu seiner vollen Zufriedenheit erfüllt sind. In der Konsequenz dieser technischen Innovation ändert sich die tradierte Beziehungsstruktur und der Kunde wird in einem Teilbereich der Leistung zum "Mitarbeiter" bei der Erstellung der von ihm bestellten Ware. Der Intimitätszuwachs zwischen Unternehmen und Kunden, den die neue Technik mit sich bringt, weitet sich auch auf die kommunikativen Beziehungen zu anderen Korrespondenzgruppen wie zum Beispiel die Zulieferer aus.

Der wichtigste Vorteil, den die neuen Möglichkeiten des elektronischen Geschäftsverkehrs für erfolgreiches Wirtschaften bieten, ist die Mobilisierung und erhöhte Disponibilität des Produktionsfaktors Wissen für die unternehmerischen Leistungsprozesse. Zwar gehören gutes Management, technisches Know How und handwerkliches Können der Mitarbeiter seit je zu den erfolgsbestimmenden Faktoren. Die besondere Stärke der neuen Technik liegt aber darin, bisher verborgene Wissenspotentiale offenzulegen und für die betrieblichen Prozesse nutzbar zu machen. Es verwundert daher nicht, daß immer mehr Unternehmen dazu übergehen, firmeneigene Online-Dienste aufzubauen, um das in der Fachliteratur empfohlene Wissensmanagement im betrieblichen Alltag auf die Probe zu stellen. So hat die Deutsche BP mit dem Online-Dienst "BP Direkt" ein Informationssystem aufgebaut, das für die Versorgung von 250.000 Privatkunden mit Kraft-, Brenn- und Schmierstoffen eingesetzt wird. Die BP hat zu diesem Zweck ihre ehemals 45 Verkaufsbüros zu sechs Kunden-Service-Centern zusammengefaßt und vernetzt. Über ein firmeneigenes E-Net versorgen fünf Mitarbeiter von der Hamburger Zentrale aus ihre bundesweit in den sechs Centern tätigen 150 Kollegen interaktiv mit den erforderlichen Markt- und Wettbewerbsdaten sowie mit allen für die Geschäftsabwicklung relevanten Informationen.

Total Information Management vermag beim Umgang mit dem in den Köpfen der Mitarbeiter und in der Technik des Betriebes gebundenen Wissenskapital auch darum wertvolle Unterstützung zu geben, weil es einen engen Zusammenhang zwischen Führung von Mitarbeitern und Wissensmanagement herstellt. Hier kann auf Dauer ein erhebliches Erfolgspotential erschlossen werden. Wo Personalmanagement und Wissensmanagement in Verbindung mit der Implementierung leistungsstarker IKT-Systeme von der Unternehmensführung als einheitliche Aufgabe gesehen wird, sind nach Peter Nebel, dem Kommunikationschef der Beiersdorf AG in Hamburg, die besten Voraussetzungen für erfolgreiches Wirtschaften gegeben. Die ergebnisverbessernde Leistungsmotivation ist dort am stärksten ausgeprägt, wo die Unternehmensführung in der neuen Technik auch einen Anreiz zur ständigen Qualifizierung der Belegschaft und darin begründet ein Mittel sieht, Verantwortung zu delegieren und die Mitarbeiter an den Entscheidungsprozessen zu beteiligen.

Bei der Mobilisierung "stiller Reserven" macht T.I.M. nicht an der Unternehmensgrenze halt. Neben der verbesserten Nutzung des intellektuellen Potentials der eigenen Belegschaft gehört das Verfügbarmachen von Wissensdateien im Internet für die unternehmerischen Zwecke zu den Aufgaben des Wissensmanagements. Eine weitere Form der Wissensbeschaffung stellt die Verwertung von Know How ehemaliger Mitarbeiter dar. Sie dient nicht nur der betriebswirtschaftlichen Leistungsoptimierung, sondern trägt auch zur Lösung des Beschäftigungsproblems bei. Oftmals sind es Manager der Führungsebene und Facharbeiter der oberen Lohngruppen, denen zur Entlastung des betrieblichen Lohn- und Gehaltskostenniveaus der Einstieg in den vorzeitigen Ruhestand nahegelegt wird. Mit einer Betriebsrente in ihrer Grundversorgung gesichert, erhalten sie bis zum Eintritt in das Rentenalter Ausgleichszahlungen aus der Arbeitslosenversicherung. Etwa ein Drittel der offiziell als arbeitslos Registrierten fallen in diese Kategorie der "Anwartschaftsarbeitslosen", die damit die Kassen der Sozialversicherung sinnwidrig belasten. Würden diese externen Senioren-Experten von Wissensmanagement-Agenturen erfaßt und ihr Expertenwissen den Betrieben zu günstigen Konditionen angeboten, würden Wirtschaft und Gesellschaft einschließlich der Sozialkassen und nicht zuletzt die "Vorruheständler" selbst davon profitieren.

Der elektronische Geschäftsverkehr, der in so vielfältiger Form dazu beiträgt, der modernen Betriebswirtschaft eine neue Leistungsdimension zu erschließen, generiert seine Attraktionskraft nicht zuletzt aus den vielfältigen Einsparmöglichkeiten und Effizienzsteigerungen, die mit seinem Einsatz verbunden sind. Dazu gehören auch Personaleinsparungen im Bereich monotoner ausführender Tätigkeiten, die von den "elektronischen Sklaven" kostengünstiger zu bewältigen sind. In die Beschäftigungsbilanz des digitalen Wirtschaftsbetriebes sind aber insgesamt sowohl die freiberuflichen Software-Experten und IT-Spezialisten in den neu entstehenden Wertschöpfungsnischen rund um das E-Business als auch der starke Beschäftigungsaufbau in der IKT produzierenden Industrie einzubeziehen, die die Ausstattung von Unternehmen, Organisationen und Privathaushalten auf dem jeweils neuesten Stand der elektronischen Hard- und Softwaretechnik sicherstellen.